Tyler Whitesides: Die letzten Lügen des Ardor Benn

Was habe ich nicht schon alles auf mich genommen – ja, ich, der Meisterdieb, der Mann, der den ganzen gesammelten Hofstaat getäuscht und über den Tisch gezogen hat. Gestatten, Ardor Benn, der Name, Retter der Welt, Zeitreisender und Filou mit einer Vorliebe für süßes Gebäck.

Inzwischen aber bin ich ein geläuterter Mann. Ich habe mein altes Leben hinter mir gelassen, bin der Kirche beigetreten und ein heiliges Eiland geworden.

Ja, ich gebe zu, zunächst wollte ich nur herausfinden, wo die Kirche die Drachenschalen versteckt hat, doch das weiß ich seit Monaten. Seitdem tue ich Buße, versuche, nach dem Straferlass der Königin für mich, alte Schulden zu begleichen und ein gesetzestreuer Bürger zu werden. Ja wirklich, ich weiß, sie trauen mir nicht, aber es ist so!

Dumm dabei nur, dass so manche meiner früheren Geschäftspartner und Opfer so gar nicht von der vergebenden Sorte sind. Wenn ich überleben will, mir etwas an der Gesundheit meiner Freunde liegt, dann, so die eindeutige Nachricht, muss ich wieder mein Talent für List und Tücke auspacken.

Das bringt mich in der Folge zuerst in eine Grube, die beim Vollmond vom Meer überflutet werden wird – die Kette um mein Bein ist dabei schon äußerst lästig – doch es kam und kommt noch weit schlimmer. Ein alter, hmm Bekannter, Geschäftsfreund, Feind weiß Dinge. Nun wäre das nicht ganz so beunruhigend, wenn er nicht Sachen wüsste, die erst in der Zukunft passieren!

Sein Angebot – er lässt mich und meine Freunde vom Haken, wenn wir ihm eine alte Scherbe und ein lebendiges Tier besorgen. Kein Problem, denken sie? Nun, die Scherbe ist eine von drei heiligen Gegenständen der Trothianer und das Tier ein lebendiger Drache …

Die Abenteuer des Meisters von List und Tücke wildert ganz eindeutig und höchst erfolgreich im Bereich Scott Lynchs „Loke Lamora“. Ein Gentleman-Gauner, ein Schlitzohr mit dem Herz am rechten Fleck, dazu jede Menge Geheimnisse, Abenteuer und verblüffende Einfälle – ja, Tyler Whitesides geht dann doch ganz andere, eigene Wege. Seine Abenteuererzählungen warten immer mit überraschenden Wendungen auf, verwöhnen uns mit spritzigen Dialogen und verblüffenden Einfällen. Also das ideale Lesefutter zum Abschalten vom stressigen Alltag – wenn, ja, wenn sich der Verfasser nur ein wenig selbst beschränken und kürzer fassen würde.

Wie die beiden Vorgänger ist auch dieser Band – immerhin fast 700 Seiten in der gefällig zu lesenden Übersetzung – wieder um gut 200 Seiten zu umfangreich ausgefallen; hätte dem Plot eine Straffung, gerade im Mittelteil, gutgetan. Immer wieder setzt der Autor noch einen drauf, nimmt eine Wendung zu viel.

Überraschend und doch folgerichtig dann das Finale, in dem unser Held noch einmal das Wort ergreift und ein letztes Meisterwerk von List und Tücke in die Wege leitet.

Letztlich eine wunderbar abwechslungsreiche Trilogie voller absurder Ideen, Wortwitz und Hochstapelei, die uns jeweils, ein klein wenig zu lang geraten, mit Abenteuern den Alltag vergessen lässt.

Tyler Whitesides: Die letzten Lügen des Ardor Benn – Gentleman, Gauner, Legende Band 03
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Bastian Ludwig
Panini Verlag, November 2023
698 Seiten, Taschenbuch, 24,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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