Kiran Millwood Hargrave: Leila und der blaue Fuchs

Auf einmal ist es so weit: Leila soll in den Sommerferien zu ihrer Mutter Amani nach Norwegen reisen, die dort seit sechs Jahren lebt und als Wissenschaftlerin in einem Forschungsinstitut arbeitet. In dieser Zeit ist ihre Mutter zu einer Fremden geworden, der alles wichtiger zu sein scheint als die Familie in London.

Die inzwischen zwölfjährige Leila erlebte ihre Mutter bisher nur auf dem Bildschirm. Seit sechs Jahren lebt Leila bei Verwandten in London. Sie sind ihre neue Familie und ihr neues Zuhause geworden, nachdem sie gemeinsam aus Damaskus geflohen sind und viel Leid hinter sich gelassen haben. Diese Erlebnisse haben sie eng miteinander verbunden und im zunächst fremden London zusammenrücken lassen.

Trotzdem fühlt sich für Leila die Trennung von der Mutter wie ein langjähriges Abschieben an. Und jetzt ist sie auf dem Weg zu ihrer eigenwilligen Mutter und spürt in ihrem Bauch eine riesige Wut.

Die Autorin Kiran Millwood Hargrave zeigt in ihrem Jugendroman die Annäherung zwischen Leila und ihrer Mutter Amani während einer Forschungsreise in die Arktis. Anfangs versteht sie die auferzwungene Trennung noch nicht. Warum ist ihre Mutter nach der Flucht nicht bei ihr in London geblieben? Und warum lebt sie ausgerechnet in der Kälte? Diese und weitere Fragen bleiben in Leilas Kopf, als sie sich auf das Wiedersehen einstellt. Ihre Mutter ist eine andere geworden und Leila auch.

Trotzdem steht Leilas Ankunft unter einem guten Stern. Die etwas ältere Britt, die Tochter einer Kollegin, leistet Leila Gesellschaft, und die aktuelle Finanzierungszusage für eine Forschungsreise erlaubt weitere Erkenntnisse. Leilas Mutter und ihre Kollegen dürfen endlich der wandernden Polarfüchsin Miso und ihren elektronischen Signalen folgen.

Die abenteuerliche Reise in die Arktis verändert Leilas Einstellung und damit auch die der Leser. Je tiefer sie in den Lebensraum der arktischen Tiere vordringt, umso besser versteht sie und damit auch die Leser, warum Miso für die Forschungsarbeit so wichtig ist.

Misos Wanderung hat der Illustrator Tom de Fresten unter anderem mit Pfotenabdrücken dargestellt, die über die Seiten wandern. Im hellen Blau verteilen sie sich wie Tupfen und zeigen Misos Präsenz. Denn ihre Geschichte beruht auf Tatsachen, die in der Forscherwelt für Aufsehen gesorgt haben. Die Erlebnisse der Füchsin sind so lebendig wiedergegeben, wie man sie in einer Tierdokumentation erwarten würde.

Die hochwertigen blau-weißen Bilder passen zu der tiefsinnigen Geschichte im ewigen Eis und runden alles zu einem äußerst gelungenen Ganzen ab.

Kiran Millwood Hargrave: Leila und der blaue Fuchs: Eine faszinierende Geschichte über die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt
Tom de Freston: Illustration
Aus dem Englischen übersetzt von Alexandra Ernst
Loewe Verlag, Januar 2024
256 Seiten, Hardcover, 22,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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