Kristen Perrin: Das Mörderarchiv

Krimiermittlungen ein bisschen anders. Ein interessanter, mal ganz anderer Ansatz: das Opfer selbst sorgt dafür, dass sein Tod gründlich untersucht wird.

Seit Teenager-Zeiten wird Frances‘ Leben von der Prophezeiung einer Wahrsagerin beeinflusst, bei der sie mit 17 mal auf einem Jahrmarkt gemeinsam mit ihren Freundinnen Emily und Rose gewesen ist. Während Emiliy und Rose versuchen, die Weissagung als Jahrmarktstrick abzutun, nimmt Frances sehr ernst, was sie gehört hat. „…. bleiche Knochen in deiner Zukunft“. Von diesem Moment an ist Frances überzeugt, eines Tages ermordet zu werden. Und sie soll Recht behalten. Frances hat vorgesorgt. Ihr Tod soll nicht versehentlich als „natürliche Todesursache“ zu den Akten gelegt werden, nein, sie besteht darauf, dass gründlich untersucht und ermittelt wird.

Immerhin hat sie über Jahrzehnte akribisch Buch geführt und in ihrem Arbeitszimmer auf ihrem herrschaftlichen Landgut ein detailliertes Archiv angelegt, aus dem genauestens hervorgeht, wen sie über die Jahre weshalb im Visier hatte. Nicht nur innerhalb der Familie, auch im Kreis ihrer Freunde aus Jugendtagen, die ebenfalls noch in Castle Knoll leben, genau wie in der Dorfgemeinschaft oder unter den Angestellten auf dem Landgut. Frances hat für fast jeden eine Akte.

Als Frances dann wirklich tot aufgefunden wird, ausgerechnet an dem Tag, an dem sie ihre Verwandtschaft über die Verfügungen in ihrem Testament informieren will, versteht es sich also von selbst, dass ihr Wunsch, so absonderlich er auch erscheinen mag, erfüllt wird und die Umstände ihres Todes genau unter die Lupe genommen werden. Frances hat auch hierfür weitere Bedingungen an die Hinterbliebenen, insbesondere für Annie, ihre Großnichte, die die Tante überhaupt nicht persönlich gekannt hat als auch für den Stiefneffen, Saxon, der sich einige Hoffnung auf Frances‘ Nachlass macht. So einfach ist es nicht. Derjenige wird erben, der binnen einer bestimmten Frist, lückenlos aufklärt, was auf dem Gut geschehen ist. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit und gegeneinander mit einigermaßen ungleichen Voraussetzungen. Annie kennt keinen der Beteiligten, nicht den Ort, nicht das Landgut, wohingegen Saxon sein ganzes Leben in Castle Knoll verbracht hat.

Witzig und äußerst unterhaltsam geschrieben, keine Sekunde langweilig, Charaktere, die man sich sehr plastisch vorstellen kann. Klar, das ein oder andere Klischee wird natürlich auch erfüllt, aber das passt ins Gesamtbild. Anhand von Tagebuchaufzeichnungen bekommen wir auch immer wieder Einblicke in die Zeit und das Leben der jungen Frances und ihrer Freundinnen und Clique. Nicht unwichtig, um zu verstehen, was eigentlich damals passiert ist, was Auswirkungen bis heute hat und um die Gegenwart einordnen zu können. Es geht nicht nur um die Weissagung, es geht um viel mehr.

Annie muss nicht nur einen Mord aufklären an einer Frau, die sie nicht gekannt hat, sondern erfährt auch eine ganze Menge über ihre Familie, das sie erstmal verarbeiten muss. Durch die Tagebucheinträge lebt man quasi in zwei Zeitebenen, was manchmal ein bisschen verwirrend, für die Geschichte, aber durchaus erhellend ist. Manchmal ist es ein bisschen verwirrend, die vielen Charaktere zu sortieren, aber mit der Zeit kann man auch die einzelnen Generationen der verschiedenen Familien auseinander halten. Insgesamt ein amüsanter cosycrime, gut zum Miträtseln und mit typisch britischem Humor.

Kristen Perrin: Das Mörderarchiv
Aus dem Englischen von Susann Rehlein
Rowohlt Polaris, Januar 2024
396 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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