Ein einfaches Leben in dörflicher Gemeinschaft
Der alte Max lebt, seit er auf der Welt ist, im Dorf. Er kennt nichts anderes. Obwohl sich so manches im Laufe der Jahre verändert hat, scheint beim Max die Zeit stehen geblieben zu sein.
In seinem Haus ist alles noch so, wie es schon immer war. Nicht einmal einen Radioapparat oder einen Fernseher besitzt er. Alles, was er wissen muss, erfährt er im Dorf. In der alten Gemeinschaft kennt man sich untereinander. So wie Max wissen auch die anderen Bescheid über alles und jeden. Max weiß viele Geschichten aus der Vergangenheit von den Bewohnern. Er kennt auch noch die alten Hofnamen der Besitzer. Mittlerweile stehen einige der Höfe im Ort leer. Auch ein Einkaufsladen samt Bäcker und Metzger ist längst verschwunden. Weiter oben am Hang ist eine Neubausiedlung entstanden, aber mit den Neubürgern haben die übrig gebliebenen Alten wenig zu tun und wollen das auch gar nicht.
Die Totenwacht, ein vergessenes Ritual
Als Max eines Morgens das Läuten des Totenglöckchens vernimmt, weiß er, dass jemand gestorben sein muss.
Der Tote ist Schorsch, sein alter Freund und Wegbegleiter von Kindesbeinen an. Nach altem Brauch wird in Schorschs Haus Totenwacht gehalten. Die Nacht zusammen mit anderen bei Schorsch am Bett zu wachen, ist selbstverständlich für Max. Um den Toten herum versammelt, erzählen sie sich alte Geschichten vom und mit Schorsch. Das ist für alle eine tröstliche Situation und der Verstorbene ist dabei nochmals unter ihnen. Als die Männer gegangen sind, übernehmen die Frauen die Totenwacht bis zum Morgen. Die Frauen stimmen leise alte Volksweisen an, jede hat sich eine Handarbeit dazu mitgebracht. Max bleibt mit den Frauen bei dem verstorbenen Freund, mit dem er auch gerade jetzt, im Alter, eng verbunden war.
Altes Brauchtum wird vergegenwärtigt
Max vergegenwärtigt mit seinen Erinnerungen eine vergangene Zeit. Wir erfahren von altem Brauchtum, von Tagesabläufen wie Holz machen oder der Kartoffelernte. Wie das Lebensende der verstorbenen Alten von einst, als diese schwach und kränklich wurden, gewesen war, weiß Max nur vage. Manche von ihnen hörte man manchmal durch die geschlossenen Fenster schreien, andere waren lang vor ihrem Tod bereits verstummt. Niemand weiß darüber Genaueres, letztlich wollte das auch keiner so recht wissen. So wie es war, hatte es für alle seine Richtigkeit.
In diesem ruhigen Roman sind Schreibstil und Plot wunderbar aufeinander abgestimmt. Das genügsame geschilderte Leben, in dem es dem Protagonisten dennoch an nichts mangelt, strahlt eine wohltuende Atmosphäre aus.
Tommie Goerz: Im Schnee.
Piper, Januar 2025.
22,00 Euro, gebundene Ausgabe, 176 Seiten.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.