Tilman Spreckelsen: Das Nordseekind

Wer sich dem Menschen Theodor Storm annähern möchte, findet in den historischen Kriminalromanen von Tilman Spreckelsen eine Fundgrube von Hintergrundgeschichten. In seinem aktuellen Roman hat der Anwalt Theodor Storm zu seiner Cousine Constanze eine feste Beziehung aufgebaut, aus der wenig später eine langjährige und vermutlich glückliche Ehe entstehen wird. Seine juristische Karriere ist ebenfalls in den Anfängen, denn in seiner Heimatstadt Husum hat er sich selbständig gemacht und freut sich – mehr oder weniger – über die langsam anwachsende Zahl von Aufträgen. Unter anderem erscheint Enna, eine junge Frau, in Begleitung eines älteren Herren. Enna glaubt, sie sei Elisabeth van Ovens, die im Alter von drei Jahren verschollene Enkelin der Katharina van Ovens und damit auch Erbin eines großen Vermögens.

Zunächst sieht Theodor Storm in dem seltsamen Paar nur Menschen, die einerseits ganz offensichtlich aus armen Verhältnissen stammen und andererseits lautstark und beharrlich Ansprüche stellen. Und ebenso offensichtlich dürfte die Bezahlung seiner Tätigkeit auf der Strecke bleiben.

Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall im Hause seines Vaters verhindert ein weiteres Treffen mit Enna. Kurz darauf erfahren Storm und sein Assistent Peter Söt, dass der Diener seines Vaters vermutlich ermordet worden sei. Weitere Ereignisse sorgen für noch mehr Rätsel, die alle indirekt auf Enna verweisen.

Der Autor, Journalist und Herausgeber Tilman Spreckelsen hat nach seinem Studium der Germanistik und Geschichte seine Interessen mit einem erfolgreichen Beruf vereint. Sein Herzblut, das in zahlreiche Projekte fließt, merkt man unter anderem an seiner Serie, in der der berühmte Theodor Storm anwaltlich ermittelt. Das Nordseekind ist sein fünfter Fall.

Für den ersten Fall erhielt der Autor den Theodor-Storm-Preis der Stadt Husum. Zwei Jahre später wurde er der erste Träger der Grimm-Bürgerdozentur der Goethe-Universität Frankfurt und der Stadt Hanau. Und 2018 erhielt er den „Saba“-Literaturpreis.

Abtauchen ins Jahr 1845

Als Leser taucht man schnell in das Jahr 1845 ein. Hier hat Tilman Spreckelsen historische Ereignisse und Sagen zu einer turbulenten Geschichte verwoben. Rätsel und Geheimnisse sind bei ihm ähnlich undurchschaubar wie bei den Fällen von Hercule Poirot. Der Fall Das Nordseekind wird aus der Perspektive des Schreibers und Assistenten Peter Söt erzählt, der anfangs als stiller Beobachter die Anfänge der Verwicklungen erlebt und an Theodor Storms Seite die kompakte Auflösung erfährt. Auch hier findet sich eine weitere Parallele zu Agatha Christie. Ihr Detektiv Poirot lässt am Ende seiner verzwickten Fälle alle Beteiligten zusammenbringen, um Motive und Auflösung zu offenbaren.

Dass Schicksalsschläge folgenreich sein können, zeigt sich auch beim Nordseekind. Als besonders anrührend bleibt Peter Söts Offenbarung in Erinnerung, die zwar mit Storms aktuellen Fall nichts zu tun hat, jedoch die grausamen Umstände einer Kindheit beschreibt, wenn niemand für die Rechte der Schwachen einsteht. In diesem Zusammenhang gelingt Tilman Spreckelsen auch noch ein historisches Sittengemälde, das Motive für Morde nachvollziehbar werden lässt.

Tilman Spreckelsen: Das Nordseekind: Theodor Storm ermittelt
Aufbau Taschenbuch Verlag, April 2023
249 Seiten, Taschenbuch, 13,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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