Jana Costas: Im Minus-Bereich

Jana Costas, Professorin an der Viadrina-Universität in Frankfurt an der Oder, schließt sich für eine Feldforschung den Mitarbeitern einer Reinigungsfirma in Berlin an. In den Gebäuden am Potsdamer Platz, um sie herum und an den gläsernen Fassaden gibt es viel zu putzen. Unter dem riesigen Komplex aus Shoppingcenter, Bürogebäuden, Gastronomiebetrieben und Luxuswohnungen befindet sich über vier Etagen ein fensterloser „Minus-Bereich“. Dort arbeiten Schneiderinnen für die exklusiven Geschäfte in der „Oberwelt“, befinden sich die Müllräume, endlose labyrinthische Gänge, Warenlager und die Aufenthaltsräume für das Reinigungspersonal.

Costas erlebt mit den Leuten von „Reinlich & Co.“ deren Alltag. Sie putzt Außenflächen, Damentoiletten, Büros und Privatwohnungen. Der Arbeitstag beginnt um 5:00 und endet um 14:00. Um 9:00 darf man im stickigen Aufenthaltskämmerchen neben dem Müllraum inmitten des Putzmaterials eine Pause machen. Es gibt nicht einmal für jeden einen Stuhl zum Hinsetzen, ist heiß und stinkt erbärmlich. Wie fühlt es sich an, Hinterlassenschaften anderer wegzuräumen? Wie behält man dabei so etwas wie Würde? Was macht das mit einem, wenn man von den „Oberweltlern“ ignoriert oder abschätzig behandelt wird? Wie geht es den „Unsichtbaren“? Jana Costas passiert es sogar, dass engste Freunde und ihre Schwester an ihr vorbeigehen, weil sie sie in der Arbeitsuniform nicht erkennen oder durch sie „hindurchschauen“.

Einstieg ins Arbeitsleben

Sie berichtet von Alex, Ali, Luisa und Marcel. Ihre Biografien stehen stellvertretend für viele andere, die in der Reinigungsbranche vermeintlich „stranden“. Sie sehen darin aber eine sinnstiftende Tätigkeit, einen Einstieg ins Arbeitsleben, einen Ausstieg aus der Kriminalität und eine Aufstiegschance. Jana Costas gibt ihnen und ihren Kollegen durch ihr Buch Sichtbarkeit.

Fazit: Ein interessanter Bericht, der einen öffentliche Orte und die dort tätigen Menschen mit anderen Augen sehen lässt. 

Jana Costas: Im Minus-Bereich. Reinigungskräfte und ihr Kampf um Würde.
Aus dem Englischen von Richard Barth, Stephan Gebauer und Michael Müller.
Suhrkamp, Mai 2023.
280 Seiten, Taschenbuch, 20,00€.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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