Tijen Onaran: Be Your Own F*cking Hero

Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest?

Wer Mut zeigt, eckt an. Mut zu haben, bedeutet auch für mich immer, die Person zu sein, die anders ist: der Alien im Raum.“ (S. 12)

Nachdem ich vor drei Jahren das erste Buch von Tijen „Nur wer sichtbar ist, findet auch statt“ gelesen hatte und keinen nennenswerten Mehrwert darin erkennen konnte, hat mich ihr neues Buch auf den ersten Blick dennoch sofort in seinen Bann gezogen.

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In ihrem inspirierenden Memoir „Be Your Own F*cking Hero“ zeigt Tijen Onaran nicht nur, wie man als junge Frau selbstbewusst den eigenen Weg gestaltet, sondern auch, was Empowerment für sie selbst bedeutet.

Tijen lässt uns an ihrer persönlichen Geschichte teilhaben, die geprägt ist von sozialer Herkunft und dem triumphalen Mut, eine Karriere aufzubauen, und bedingungslos zu sich und seinen Überzeugungen zu stehen.

Aber …

Aber ob sie mit ihren Worten bei den Leserinnen eine Funkenexplosion entfacht, die uns alle anspornt, unser persönliches und berufliches Glück selbst in die Hand zu nehmen und den Status quo aller einengenden Grenzen zu sprengen, ist fraglich. Warum, fragst du dich jetzt?

Gerade in Zeiten des Misserfolges entsteht Stärke.“ (S. 95)

Doch wo sind Tijens Ecken und Kanten? Wo die Niederlagen, die sie so authentisch hätte darstellen können? Mut bedeutet, man selbst zu sein, auch in den herausforderndsten Momenten des Lebens. Die Autorin ermutigt uns, authentisch, unerschrocken und selbstbestimmt zu handeln.

Was ich bei der Lektüre vermisst habe, waren Einblicke in die persönlichen Rückschläge und Enttäuschungen der Autorin, die für die Leserinnen erlebbar, nachfühlbar und damit nachvollziehbar gewesen wären. Stattdessen gab es Tiraden der Selbstbeweihräucherung.

Dadurch fühle ich mich als Leserin allzu schnell als unterprivilegierte Pechmarie und kann mich umso weniger mit ihr identifizieren.

Alles zu banal und trivial – abseits der super erfolgreichen Networking-Bubble?

Netzwerke sind mitunter die wichtigsten Machinstrumente, die wir besitzen.“ (S. 73)

Frauennetzwerke machen uns stark, weil wir unsere Power und unsere Macht bündeln können.“ (S. 77)

Nach unfassbar viel Arbeit, unzähligen Absagen und unfreundlichen Zurückweisungen kann ich dir aus dem Effeff sagen, wo die Macht sitzt, wer in der Wirtschaft die Strippen zieht, wo der Einfluss steckt, weil ich mutig drangeblieben bin.“ (S. 76)

Gerade die zuletzt zitierte Aussage ist mir persönlich zu pauschal. Denn ihre Worte suggerieren, dass z. B. das hartnäckige Festhalten an etwas, in dem man keinen Erfolg hat, automatisch zum Erfolg führt, wenn man es nur lange genug versucht. Dies würde implizieren, dass Beharrlichkeit und Mut langfristig unweigerlich zum Erfolg führen. Aber gerade dann kann Beharrlichkeit in manchen Fällen zum Wahnsinn werden.

Dazu braucht es Unterscheidungsvermögen, um zu erkennen, ob wir uns in etwas Lohnendes verbeißen oder ob wir uns in etwas verbeißen, das sich nicht mehr lohnt.

Tschüss Komfortzone, hallo Wachstum!“ (S. 72)

Aus meiner subjektiven Sicht erscheint mir das Buch zu einseitig und Tijens Erfolgsgeschichte zu perfekt poliert. Ich glaube, dass mehr Offenheit über mögliche Rückschläge auf ihrem beeindruckenden Karriereweg dem Werk mehr Tiefe und emotionale Nuancen verliehen hätte.

Tijen Onaran: Be Your Own F*cking Hero: Trau dich – weil du es kannst.
Goldmann, Oktober 2023.
224 Seiten, Paperback, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Olivia Grove.

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