Inga Vesper: In Aufruhr

1959, an einem Sommertag in Santa Monica beschließt Joyce, ihren Mann ein letztes Mal zu küssen und ihr Leben von Grund auf zu ändern. Am gleichen Tag meldet Ruby der Polizei ein Verbrechen. Die junge Putzfrau wird kurz darauf von der eintreffenden Polizei rüde behandelt und verhaftet. Niemand hilft ihr. Über 24 Stunden bibbert sie in ihrer Zelle vor Angst. Niemand befragt sie, niemand glaubt ihr. Sie wird wie eine rechtlose Person behandelt, mit der ein Polizist machen kann, was er will. Als Detektive Blanke sie erst nach Sichtung des Tatortes sehen darf, sieht Ruby einen Hoffnungsschimmer. Der Neue im Revier glaubt ihr und gibt ihr die Freiheit zurück.

Blankes Chef ist darüber verärgert, denn für ihn ist Ruby die Hauptverdächtige bei einem möglichen Verbrechen ohne Leiche. Ruby ist eine junge Farbige und trägt in seinen Augen ein Schild auf dem Rücken: „Schwarze sind immer schuldig.“

Inga Vesper hat in ihrem ersten Kriminalroman, übersetzt von Katharina Naumann und Silke Jellinghaus, die Thematik Abhängigkeit verpackt, die sie schon lange beschäftigt. In der Anmerkung der Autorin findet sich hierüber die Geschichte aus den Neunzigern, als ihr Englischlehrer das Leben im amerikanischen Traum lobte: Ein Vorstadthaus, Dad und zwei gesunde Kinder am Esstisch und Mom, die einen Truthahn serviert. Die Autorin fand es gruselig Weiterlesen

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Kuwana Haulsey: Der Engel von Harlem: Die Lebensgeschichte der ersten farbigen Ärztin in New York

Dr. May Chinn lebte von 1896 bis 1980 in New York und wurde der Engel von Harlem genannt. Für die Tochter eines ehemaligen Sklaven und einer Halbindianerin gab es nur wenige Optionen: ein früher Tod durch Gewalt oder Krankheit, viel zu jung und ohne Bildung Kinder zu bekommen sowie Armut, weil Farbige aus Prinzip für ihre Arbeit extrem schlecht bezahlt wurden. May hatte das große Glück, dass ihre Mutter Lulu für sie da war. Schon sehr früh fiel ihr Mays Intelligenz auf. Sie erkannte bei ihrer Arbeit in den Haushalten reicher Weißer, wie wichtig Bildung und Förderung bei Kindern ist. Also versteckte sie jede Münze vor Mays trinkfreudigem Vater und sorgte für die häufigen Umzüge aus der Gefahrenzone sozialer Brennpunkte.

Kuwana Haulseys wunderbarer Roman ist ein Hohelied auf die Stärke der Frauen. Nach ihrem preisgekrönten Debütroman „The Red Moon“ gelang der Autorin das Kunststück, für ihren zweiten Roman gleich mehrere Preise zu erhalten. Dies liegt auch an ihrem sprachlichen Talent, mit dem sie ein aktuelles Thema mit geschichtlichen Fakten unterfüttert. Mays berührende Geschichte wurde von Dieter Fuchs übersetzt.

Anschaulich beschreibt die Autorin, wie die Hauttöne von schwarz, braun und creme sogar unter Farbigen eine zentrale Rolle spielen, als sei allein die Annäherung zur Hellhäutigkeit ein Aufstieg in der gesellschaftlichen Hierarchie. Weiterlesen

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Linda Dielemans: Im Schatten des Löwen

Junhis Geschichte beginnt vor etwa 28.000 Jahren irgendwo im heutigen Frankreich. Sie lebt bei einem Stamm, der in Höhlen lebt und zum Überleben Großwild jagen muss. Seit Junhis Eltern nicht mehr im Stamm leben, wird sie häufig von Dahs, dem Anführer und besten Jäger, und von Uma, der Stammesmutter, geschlagen und gemaßregelt.

Eines Tages beginnt sie zu träumen. Sie träumt von Tieren und einem Löwenmann, und es fühlt sich so an, wäre sie in einer anderen Welt, die sie umarmt und ihr allein gehört. Leider kann sie nicht verstehen, was diese Träume sagen wollen. Nur Tukh, der Träumer des Stammes, könnte es ihr erklären. Seine Traumdeutungen haben ihrem Stamm immer Glück gebracht und das Überleben gesichert. Aber er hat bereits einen Lehrling und darf keinen zweiten ausbilden.

Als Uma ihr das Träumen verbietet, kann es für Junhi kaum noch schlimmer werden. Trotzdem erscheint in ihren Träumen der Löwenmann. Er schweigt und beantwortet ihre Fragen mit Bildern. Die offenen Fragen lassen Junhi keine Ruhe. Weiterlesen

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Dr. Leon Windscheid: Besser fühlen: Eine Reise zur Gelassenheit

Noch immer wird das rationale Handeln höher eingeschätzt als Emotionen. Herr über die eigenen Gefühle zu sein, so wird gern behauptet, sei ein angestrebtes Ideal. Gleichzeitig wird das Vorurteil gepflegt, Männer/Jungen seien eher rational und Frauen/Mädchen emotional. Doch wie Gefühle das Handeln eines Menschen tatsächlich beeinflussen, ist ein so breites Themenfeld, dass sogar unzählige Forschungen und Versuche nur einen überschaubaren Bereich begreifbar machen. Ob es sich um die Macht des sogenannten Bauchgefühls dreht oder Ehrgeiz und Ungeduld der eigenen Karriere im Weg stehen, sie alle sind nur Facetten.

Wer den Titel Besser Fühlen liest, hat vielleicht eine Idee, wohin die Lesereise gehen könnte. Wohin sie dann tatsächlich geht, dürfte für jeden überraschend und bereichernd sein. Denn der Psychologe Dr. Leon Windscheid erklärt anschaulich, warum wir fühlen. Trotz unterschiedlicher Lebensweisen und Empfindungen, sieht er zwischen den Menschen verbindende Muster. Wer sie kennt, hat die Chance, sich „[…] selbst besser zu verstehen und ein zufriedenes Leben zu führen […] (S. 15).

„Das Buch, das Sie in der Hand halten, leitet Sie wie eine Karte durch zehn unterschiedliche Gefühlslandschaften.“ (S. 13) und sind das Ergebnis seiner Erfahrung als Psychologe und vieler Wissenschaftler, auf deren Forschungsergebnisse der Autor Bezug nimmt. Weiterlesen

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Kai Hensel: Terminal

Das Berliner Wahrzeichen hat sein Fell durch Beton- und Konstruktionsschlachten verloren. In den letzten zwei Dekaden gab es unzählige Berichte über den Flughafen Berlin-Brandenburg. Sie prangerten Inkompetenz, Schludrian und Vetternwirtschaft an. Im Zentrum des Interesses blieb der „ProblemBER“, der lange Zeit alles war, nur kein Flughafen.

Theoretisch hätte man über dieses Desaster ein Sachbuch oder sogar einen Wirtschaftskrimi schreiben können und dabei möglicherweise die Orientierung im Wirrwarr der Mängel verloren. Für dieses brisante Thema nutzte Kai Hensel seine Erfahrung als erfolgreicher Drehbuch- und Theaterautor und setzte episodenhaft eine Geschichte zusammen, die das untrennbare Für und Wider aufzeigen. Entstanden ist ein äußerst unterhaltsamer, pointierter Roman über Interessenkollisionen, in dem unterschiedliche Charaktere aufeinanderstoßen. Sie alle sind von Träumen und Wünschen beseelt. Zum Beispiel die junge Jana, die Motorradrennen über alles liebt. Während sie nachts auf einem Moped Pizza ausliefert, kollidiert sie mit dem Oldtimer des ehemaligen Bürgermeisters Pankelow. Weiterlesen

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Barbara Newhall Follett: Die Welt ohne Fenster (1927)

„Dies ist eine Geschichte. […] Ein Rätsel, eine Fantasie“ und „Sie beginnt vor über einem Jahrhundert in einem kleinen Haus in […] New Hamshire“ (S. 15) Sie handelt von dem wilden Mädchen Eepersip. Eines Tages stellt sie fest, dass sie nicht mehr mit Menschen zusammenleben möchte. Sie erträgt weder die Enge eines Hauses noch sonst irgendwelche Zwänge. Nur in der unberührten Natur kann sie leben und glücklich sein. Ihre Liebe zu den Pflanzen und Tieren, dem Sonnen- und Mondlicht, dem Wind, dem Bach, dem Meer und den Bergen wächst mit jedem Tag, den sie in völliger Abgeschiedenheit leben darf. Es ist eine Welt ohne Fenster, voller Glück und Zufriedenheit.

Diese poetische Geschichte ist so ungewöhnlich, als wäre sie nicht von dieser Welt. Wer tagtäglich mit offenen Augen seine Umgebung betrachtet, die Folgen der Industrialisierung riecht und spürt, dürfte von der Lektüre über die Liebe zur Natur mit seiner absoluten Konsequenz überrascht und angerührt werden.

Ein wildes, ungezähmtes Mädchen legt alles ab, was sie an Zivilisation erinnert und streift durch die Weiten eines Landes, das noch nicht mit Straßen, Parkplätzen und Häusern zubetoniert ist. Die Natur wird ihre Lehrerin, Freundin und Ernährerin. So ähnlich mag die Autorin Barbara Newhall Follett empfunden haben, die 1914 geboren wurde und mit zwölf Jahren als amerikanisches Wunderkind berühmt wurde. Sie lebte zeitweise selbst das Leben eines wilden, ungezähmten Mädchens, verließ häufig für eine Weile ihre Eltern, um in der Natur glücklich zu sein. Weiterlesen

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Ada Fink: Blütengrab

„Ingrid blickt zu Boden und spürt, wie die heiße Wange langsam anschwillt. Ihre Mutter […] flüstert: ‚Wir zwei machen nachher den Kranz. Der wird das Böse von uns fernhalten.‘ Ingrid nickt, obwohl sie denkt, das Böse ist doch schon da.“ (S. 17)

Vier Jahre nach der Wende in einem kleinen Ort in Mecklenburg läuft vieles für die Kommissarin Ulrike Bandow nicht gut. Seit einer Weile verausgabt sie sich, ohne dass sie ihren privaten oder beruflichen Zielen näherkommt: Ulrike lebt mit ihrem gerade volljährig gewordenen Bruder allein in ihrem herunter gewohnten Elternhaus, das von Ungeziefer heimgesucht wird. Entweder streiten die ungleichen Geschwister, oder sie gehen getrennte Wege. Als Ingrid im Wald die Leiche einer Dreizehnjährigen findet, die das Opfer eines Ritualmordes geworden ist, wird Ulrike von ihrem familiären Problem abgelenkt.

Für die Kommissarin Bandow beginnt eine aufreibende Zeit, in der sie mit dem neuen Kollegen auf ungewöhnlich viele Widerstände stößt. Und nach den ersten Ermittlungsergebnissen folgen weitere Widerstände. Allein die Vorstellung, es könne sich bei dem Mord um die Tat eines Serientäters handeln, stößt bei vielen Kollegen im Polizeipräsidium auf Ungläubigkeit und Ablehnung. Weiterlesen

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Sarah Crossan: Wer ist Edward Moon?

Die Familie Moon leuchtet nicht mehr so hell. Nachdem der Vater verschwunden ist, sieht sich die Mutter nicht mehr in der Lage, für ihre drei Kinder Edward, Angela und Joseph zu sorgen. Weil Edward zehn Jahre älter als Joe ist, hat er die Vaterrolle für den kleinen Bruder übernommen. Auch Angela trägt mehr Verantwortung, als für sie gut ist. Viele Jugendliche wären in so einer Situation genervt, aber Ed liebt Joe. Er wird für ihn die wichtigste Bezugsperson, und darüber hinaus ist er auch sein Freund, Beschützer und Vorbild, bis Ed abhaut. Zu diesem Zeitpunkt ist Joe sieben Jahre alt und versteht die Welt nicht mehr. Für zehn lange Jahre versteht er sie nicht, bis er beschließt, Ed zu besuchen. Dieser wartet in einem texanischen Todestrakt auf seine Hinrichtung. Für Joe bleibt nicht mehr viel Zeit, das Vergangene aufzuarbeiten. Und dann sind da noch ein paar wichtige Fragen.

Sarah Crossan lebt in England und wurde für ihre Bücher mehrfach ausgezeichnet. Für den Jugendroman Wer ist Edward Moon erhielt sie 2020 den Deutschen Jugendliteraturpreis. Und dies zu Recht. Sie verarbeitet das brutale und leider alltägliche Thema Todesstrafe so behutsam in einer jugendgerechten Sprache, dass man ihr nicht nur sehr gern folgt, sondern auch gebannt Joes Geschichte liest. Weiterlesen

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Lukas Hartmann: Schattentanz: Die Wege des Louis Soutter

 „‚[…] ich muss mich von allem befreien, was mich beengt, sonst gelingen mir die Bilder nicht.‘
‚Und wann sind sie gelungen?‘, fragte ich.
‚Eine dumme Frage, Charles-Edouard. Wenn sie fertig sind, wenn ich beschließe, nichts mehr daran zu ändern.‘
‚Ich kann dich bei dieser Malweise nicht unterstützen‘, sagte ich.
‚Du willst nicht sehen, was sich dahinter verbirgt.‘ Seine Stimme senkte sich, er flüsterte bloß.“
(S. 238)

Als Charles-Edouard 1927 seinen Cousin Louis Soutter besucht, befindet sich der begnadete Maler in einer Abgeschiedenheit, die für viele nur schrecklich und trostlos wäre. Doch Louis arrangiert sich 19 Jahre lang mit seiner Entmündigung und auch mit seinem Zimmer in einem Altenheim für Mittellose. Hier entstehen seine wichtigsten Werke, die von seinen Zeitgenossen nur am Rande gewürdigt werden. So manches Bild nehmen Angestellte des Heims, um damit den Ofen zu entzünden. Dies ändert sich erst, als Louis im Beisein seiner Mitbewohner ein Honorar für einige Werke erhält.

Der Schweizer Lukas Hartmann studierte Germanistik und Psychologie. Sein bunter Werdegang über Lehramt, Journalismus und die Welt der Medien brachte ihn schließlich zu der Kunst des Schreibens von Kinder- und Erwachsenenromanen. Heute zählt er in seinem Heimatland zu den bekanntesten Schriftstellern. Weiterlesen

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Sarah Moss: Zwischen den Meeren

Ally und Tom heiraten. Beide lieben ihre Freiheit und wollen sich gegenseitig darin unterstützen. Nachdem Ally mit Bestnoten eine der ersten Ärztinnen in England geworden ist und eine bezahlte Stelle sucht, wird Tom von seinem Chef nach Japan geschickt. Für viele Monate soll der erfahrene Ingenieur den Bau von erdbebensicheren Leuchttürmen unterstützen.

Ally und Tom gehen auf Zeit eigene Wege.

Sarah Moss hat mit ihrem aktuellen Roman Zwischen den Meeren die Geschichte ihrer Heldin Ally fortgeführt. Während im Roman Wo ist Licht die junge Ally den grausamem Erziehungsmethoden ihrer Mutter entflieht, um zu studieren, glaubt die Dreißigjährige nach ihrem abgeschlossenen Medizinstudium alles geschafft zu haben. Doch Ally irrt sich. Sie braucht eine Antwort auf die Frage, ob eine berufstätige Ärztin auch Ehefrau sein kann. Sie weiß, dass insbesondere Frauen ihrer Grundrechte beraubt, unterdrückt und ausgebeutet werden. Das Patriarchat hat ihr zwar über das Studium ein Schlupfloch in die Unabhängigkeit erlaubt, doch die Akzeptanz in der englischen Gesellschaft fehlt. Dies wird besonders deutlich in der tragischen Mutter-Tochter-Beziehung. Die Autorin zeigt eine seelisch verletzte Frau, der das Kämpfen nicht liegt. Auf der einen Seite hat die Wissenschaftlerin eigenständiges Denken gelernt, und auf der anderen Seite wurde ihr Gehorsam und Demut eingeprügelt. Weiterlesen

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