Imogen Hermes Gowar: Die letzte Reise der Meerjungfrau

September 1785, Londoner Hafen. Jonah Hancock wartet auf die Heimkehr der Calliope. Doch der Captain kommt ohne Schiff zurück; er hat es verkauft, um für Hancock etwas ganz Außergewöhnliches zu erwerben: eine Meerjungfrau, gefangen von einem japanischen Fischer. Leider hat das Wesen nicht überlebt, und es sieht nicht im Geringsten so aus, wie man sich eine Meerjungfrau vorstellt. Es ist klein wie ein Säugling, dessen Leib in einem Fischschwanz endet, und hat die Hände mit den schrecklichen langen Krallen vors fratzenhafte Gesicht geschlagen. Die harte, vertrocknete Haut erinnert Hancock an die toten Ratten, die er einmal hinter der aufgeschlagenen Küchenwand fand. Er ist entsetzt über den Verlust des Schiffes für dieses … Ding. Sein Captain hingegen ist davon überzeugt, dass man mit der Meerjungfrau Geld machen kann, viel Geld, wenn man sie als Kuriosität ausstellt.

Hancock entschließt sich, den Versuch zu wagen. Mit Hilfe seiner Nichte Sukie organisiert er die Zurschaustellung der Meerjungfrau. Wider Erwarten ist der Andrang groß. Auch das Interesse der Kupplerin Mrs. Chappell ist geweckt. Sie mietet das Exponat, um es bei einem rauschenden Fest in ihrem Bordell zu zeigen. Hancock ist hierzu eingeladen und lernt Angelica kennen, eine stadtbekannte gefeierte Edelhure.

Mit dieser Begegnung beginnt sich der Lebensweg des biederen Kaufmanns, der ein Bäuchlein und Hängebacken sein eigen nennt, mit dem der Kurtisane zu verflechten. Angelica könnte selbst eine Meerjungfrau sein, in fließende Stoffe gehüllt, mollig, rosig, mit wallenden blonden Locken. Sie liebt den Luxus und wird gerne bewundert. Allerdings steht sie mit siebenundzwanzig Jahren an einem Wendepunkt. Wenn sie sich von der Kupplerin befreien will, braucht sie einen reichen, kultivierten Mann, der sie aushält, bevor sie zu altern anfängt. Weiterlesen

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Wlada Kolosowa: Fliegende Hunde

Kann eine, die zu Hause geblieben ist, im eigenen Bett vor Heimweh sterben? Oksana hat das Gefühl, dass genau das passieren wird, denn Lena ist gegangen. Weg aus Krylatowo, dem trostlosen Vorort von Sankt Petersburg, weg von der Schule, weg von Oksana. Die blasse, dürre Lena wurde von Model Scouts entdeckt und hat jetzt einen Vertrag mit einer Agentur in Shanghai. Oksana hingegen hat ein nichtssagendes Gesicht und einen fetten Hintern, findet sie. Dank der Schwerkraft ihres Körpers hängt sie in der Armut Krylatowos fest. Allein. Sie vermisst Lena so sehr, dass es weh tut. Ihre Familien wohnen Wand an Wand, die Mädchen gingen in der jeweils anderen Wohnung ein und aus. Oksana und Lena haben fast jede Minute ihres wachen Lebens zusammen verbracht – und unendlich viele Schlafminuten, zusammengekuschelt und mit verschlungenen Beinen in Oksanas Bett.

Oksana will dringend abnehmen. Im Internet stößt sie auf die Leningrad-Diät: Man darf nur so viel essen wie die Menschen während der Belagerung von Leningrad im zweiten Weltkrieg und nimmt genauso heftig ab. Weiterlesen

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Amy Liptrot: Nachtlichter

„Es ist schwer, von etwas genug zu bekommen, das nur beinahe funktioniert.“ (Zitat S. 339)

Amy Liptrot ist auf den Orkney-Inseln aufgewachsen, einer Inselgruppe nordöstlich von Schottland. Ihr Vater hat eine bipolare Störung, seine manischen und depressiven Phasen bestimmen das Leben auf dem Bauernhof ebenso wie das Wetter und die Gezeiten. Die Mutter ist tief religiös; ihr Glaube ist nichts, das auch der Tochter Halt geben könnte. Der Raum aus Himmel und Meer ist weit, doch Amy fühlt sich eingesperrt zwischen Klippen und Schafen, eingeengt durch die Kälte und den Wind. Sie zieht nach London, um zu studieren und um endlich zu leben.

London, das sind hell erleuchtete Straßen, durchfeierte Nächte, ständig neue Bekannte, Freunde und Mitbewohner, Alkohol, wechselnde Jobs, halbherzige Abstinzenzversuche, noch mehr Alkohol, Drogen. Amy lässt sich treiben, immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, immer in der Gefahr abzustürzen. Sie verliert ihre Liebe, die Wohnung und den Job und erkennt, dass sie etwas ändern muss. Dass sie sich ändern muss. Die dreimonatigen ambulante Therapie in einem Behandlungszentrum zieht sie irgendwie durch – und nun? Arbeitslos und eben erst trocken in London zu sein, ist schwierig. Sie beschließt, nach zehn Jahren auf die Orkney-Inseln zurückzukehren. Ihre Familie ist dort, sie kann sich von Orkney aus für neue Jobs bewerben. Weiterlesen

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Paula Daly: Stiefmutter

Die sechzehnjährige Verity hat versucht, ihre Stiefmutter Karen zu erwürgen. „Ich wusste, dass ich aufhören muss. […] Aber die Wahrheit ist: Ich wollte gar nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, ich wollte, dass sie zu atmen aufhört.“ [Zitat S. 201]

Nach und nach enthüllt die Autorin, mit welchen Problemen die Patchworkfamilie zu kämpfen hat. Noel hat seine Tochter Verity in die Ehe eingebracht, Karen ihren etwa gleichaltrigen Sohn Ewan. Ihn hat Karen aufgegeben, er tut nichts anderes, als mit Freunden abzuhängen und zu kiffen. Karen richtet all ihre Energie auf Brontë, die gemeinsame Tochter mit Noel. Brontë ist zehn und ein Wunderkind, meint jedenfalls Karen. Sie hat die Kleine zu ihrem Projekt gemacht. Brontës Terminkalender lässt kaum Zeit zum Essen; sie spielt Klavier und Harfe, sie tanzt, zudem erwartet Karen schulische Glanzleistungen von ihr.

Verity liebt ihre Halbschwester. Brontë tut ihr leid; nie hat sie Zeit für sich, Karen lässt sie nicht aus den Augen, überlastet sie mit ihren Erwartungen. Der „Vorfall“ hatte mit Brontë zu tun: Verity hat Karen gewürgt, weil sie ihre kleine Schwester beschützen wollte. Weiterlesen

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Ashley Herring Blake: Eine Handvoll Lila

Es ist alles andere als einfach, siebzehn und Maggie Glassers Tochter zu sein. Denn Maggie kann jeden um den Finger wickeln. Das liegt keineswegs daran, dass ihre Nägel makellos auberginefarben lackiert sind, und zwar immer, so lange Grace sich erinnert, sondern daran, dass sie warmherzig und liebevoll sein kann, wenn sie will. Aber dafür sorgen, dass regelmäßig Geld ins Haus kommt, dass es etwas Anständiges zu essen gibt und dass es ihrer Tochter gut geht, das kann Maggie nicht. Vor allem dann nicht, wenn sie trinkt. Grace weiß nicht mehr, wie oft sie in den letzten Jahren überraschend umgezogen sind, von einer Bruchbude in die andere, von einem Liebhaber ihrer Mutter zum nächsten, jedes Mal war es der Richtige – für ein paar Wochen oder Tage.

Dieses Mal, als Grace von einem zweiwöchigen Aufenthalt in Boston nach Cape Katie zurückkehrt, ist es wirklich der Richtige. Nur, dass er Jays Vater ist. Mit Jay war Grace ein halbes Jahr zusammen, das unschöne Ende der Beziehung ist ihrer Mutter komplett entfallen, als sie den Umzug organisierte. Grace wohnt jetzt in dem Zimmer, das Jays gegenüberliegt. Sie versucht, das Beste daraus zu machen. Maggie ist ihre Mutter, Grace muss sie nehmen, wie sie ist. Ihre eigenen lila Fingernägel erinnern sie an all ihre Gemeinsamkeiten. Maggie und Grace, sie gehören zusammen. Weiterlesen

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Mike Gayle: Nur zusammen ist man nicht allein

Im Original lautet der Titel des Romans „The Hope Family Calendar“ – der Familienkalender der Hopes spielt eine wichtige Rolle in dieser Geschichte über Verlust und Trauer, Entdecken und Glück. „Egal wie gut wir alles planen und organisieren, keiner von uns kann wirklich wissen, was die Zukunft für uns bereithält, egal ob gut oder schlecht. Und doch kaufen wir diese Kalender, füllen sie mit unseren Vorstellungen, Träumen und alltäglichen Dingen und geben die Hoffnung nicht auf, dass die Dinge so laufen werden, wie wir sie uns vorstellen.“ (Zitat S. 378)

Laura hat früher den Familienkalender geführt und alle Termine eingetragen: Schulaufführungen, Geburts- und Jahrestage, Ausflüge, Arzttermine, Verabredungen. Sie hat die Familie gemanagt, Konflikte gelöst, Kompromisse gefunden, das Haus der Hopes zu einem Zuhause gemacht. Doch Laura ist vor einem Jahr tödlich verunglückt, nichts ist mehr wie es war. Tom verschanzt sich seit dem Tod seiner Frau hinter der Arbeit. Lauras Mutter Linda ist zu den Hopes gezogen und kümmert sich um Evie, vierzehn, und Lola, acht. Linda versucht, das Familienleben zusammenzuhalten und den Mädchen die Mutter zu ersetzen. Weiterlesen

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Emma Heatherington: Zehn Wünsche bis zum Horizont

Maggie O’Hara bekam vor siebzehn Jahren ein Herz geschenkt. Kein Liebesbriefherz, keine Herzohrstecker – sondern das Herz, das in ihrer Brust schlägt. Einst gehörte es der vierzehnjährigen Lucy Harte, nach deren Tod erhielt es Maggie als Organspende. An jedem Jahrestag ihres Herzgeburtstags hält Maggie Zwiesprache mit Lucy, dankt ihr und erzählt, was in ihrem Leben los ist. Im Moment läuft es nicht besonders: Ihr Ehemann hat sie ziemlich bald nach der Hochzeit für eine andere verlassen, mit der er ein Kind erwartet, Maggie versinkt in Selbstmitleid und Alkohol, verliert beinahe den Job. Zu ihrem Bruder hat sie keinen Kontakt mehr, die Eltern machen sich Sorgen um sie.

Unerwartet bekommt sie einen Brief. Simon, Lucy Hartes Bruder, hat Maggie gefunden und möchte sie kennenlernen. Endlich, endlich hat Maggie die Chance, sich bei der Familie der Herzspenderin zu bedanken und ihre Schuldgefühle zu besiegen! Sie fühlt sich schuldig, denn sie kann nur leben, weil Lucy gestorben ist. Weiterlesen

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Andreas Séché: Leuchtturmmusik

Es gibt einen besonderen Ort auf der Welt, so idyllisch, dass alle seine Bewohner friedfertig und glücklich sind – oder glücklich werden. Ein Fischerdorf am Meer, das die Touristen noch nicht entdeckt haben, wo der Wind säuselt und die Fischernetze immer voll sind. Von dort ist es nicht weit bis ins Hinterland mit riesigen Bäumen und einer alten Wassermühle, einem Flüsschen und einer Höhle. Und auch nicht weit zu einer blütengesprenkelten Lichtung mit Zitronenfaltern und Blick auf den Ozean. Dort begegnet Tristan der geheimnisvollen Fremden: Emily. Man könnte meinen, dass Emily das Dorf gehörig durcheinanderwirbelt. Schließlich stellt sie laut Klappentext das Leben aller auf den Kopf. Aber nein. Mit einer ganz besonderen Geste bringt sie die Menschen zwar zum Nachdenken, ansonsten aber fügt sie sich ins Dorfleben ein, als gehörte sie schon immer dazu. Tristan und Emily finden ineinander die große Liebe, einzigartig und vollkommen, passend in dieses Paradies. Zwar schlägt die Vorsehung grausam zu, doch die beiden Liebenden finden genügend innere Kraft und Zufriedenheit, um den Schicksalsschlag anzunehmen. Weiterlesen

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Antti Tuomainen: Die letzten Meter bis zum Friedhof

Übelkeit, Schwindelgefühl, Schmerzen. Jaakko ist zum Arzt gegangen, um sich Antibiotika verschreiben zu lassen, damit die lästigen Symptome verschwinden. Es stellt sich heraus, dass er nicht an einem grippalen Infekt leidet, sondern schleichend vergiftet wurde, wichtige innere Organe sind schwer geschädigt. Es gibt nichts, was der Doktor noch für ihn tun kann. Jaakko bleiben Tage, vielleicht Wochen. Als er das Naheliegende tun und mit seiner Frau Taina sprechen will, ist sie zu beschäftigt, um ihn überhaupt zu bemerken. Sie vögelt gerade im heimischen Garten mit dem Fahrer der Firma, welche die Eheleute gemeinsam aufgebaut haben.

Das Leben, in dem es sich Jaakko gemütlich gemacht hat, ist vorbei. Nicht nur Tainas gutes Essen, das Jaakko hat fett werden lassen, oder die Tätigkeit als Geschäftsführer im eigenen Unternehmen, das mit Matsutake-Pilzen handelt, nicht nur der beschauliche Alltag im finnischen Hamima mit Blick aufs Meer – nein, das Leben an sich. Das Sein. Weiterlesen

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Sina Pousset: Schwimmen

Wie soll man jemals schwimmen lernen, wenn man nie die Erfahrung gemacht hat, vom Wasser getragen zu werden?

Jan konnte nicht richtig schwimmen, vor vier Jahren ist er im Meer ertrunken. Milla lebt weiter, irgendwie. Eines Morgens findet sie in der Tasche von Jans altem Mantel einen Einkaufszettel. „Sie liest Jans schiefe Worte auf dem Papier mit ein paar Rissen, bevor der Montagmorgen vor ihren Augen verschwimmt. Einen Moment steht sie still. Sie hält es fest, das unverhoffte bisschen Jan.“ (Zitat S. 13)

Milla und Kristina waren damals mit Jan im Haus am Meer. Jan und Milla sind beste Freunde seit Kindertagen, sie kennt ihn besser als irgendwer sonst. Wie sich später herausstellt, kennt sie jedoch nicht alle seine Geheimnisse. Dass er ihr mehr bedeutet als ein Freund, ist wiederum ihr Geheimnis. Beide haben hin und wieder Beziehungen, zu der Zeit ist Jan Kristina zusammen. Sie verbringen zu dritt einige Sommertage, die in der Katastrophe enden. Weiterlesen

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