Ashley Herring Blake: Eine Handvoll Lila

Es ist alles andere als einfach, siebzehn und Maggie Glassers Tochter zu sein. Denn Maggie kann jeden um den Finger wickeln. Das liegt keineswegs daran, dass ihre Nägel makellos auberginefarben lackiert sind, und zwar immer, so lange Grace sich erinnert, sondern daran, dass sie warmherzig und liebevoll sein kann, wenn sie will. Aber dafür sorgen, dass regelmäßig Geld ins Haus kommt, dass es etwas Anständiges zu essen gibt und dass es ihrer Tochter gut geht, das kann Maggie nicht. Vor allem dann nicht, wenn sie trinkt. Grace weiß nicht mehr, wie oft sie in den letzten Jahren überraschend umgezogen sind, von einer Bruchbude in die andere, von einem Liebhaber ihrer Mutter zum nächsten, jedes Mal war es der Richtige – für ein paar Wochen oder Tage.

Dieses Mal, als Grace von einem zweiwöchigen Aufenthalt in Boston nach Cape Katie zurückkehrt, ist es wirklich der Richtige. Nur, dass er Jays Vater ist. Mit Jay war Grace ein halbes Jahr zusammen, das unschöne Ende der Beziehung ist ihrer Mutter komplett entfallen, als sie den Umzug organisierte. Grace wohnt jetzt in dem Zimmer, das Jays gegenüberliegt. Sie versucht, das Beste daraus zu machen. Maggie ist ihre Mutter, Grace muss sie nehmen, wie sie ist. Ihre eigenen lila Fingernägel erinnern sie an all ihre Gemeinsamkeiten. Maggie und Grace, sie gehören zusammen.

Zum Glück hat Grace das Klavierspielen und Luca, ihren besten Freund seit Kindertagen. Seiner Familie muss sie nichts vormachen, die Michaelsons wissen, wie Maggie ist. Allerdings haben sie ein neues Familienmitglied und alle Hände voll zu tun, damit Eva sich endlich wieder besser fühlt. Ihre Mutter ist unerwartet gestorben.

Eva hat die Körperhaltung einer Tänzerin, die schwarzen Locken springen, wenn sie lacht, und ihre dunkle Haut ist so … unendlich weich, findet Grace. Die nächtlichen Ausflüge der Mädchen auf den Leuchtturm werden zum Ritual. Doch irgendwann wird Eva von Maggie für sich entdeckt. Bald darauf kommt Grace zufällig hinzu, als Maggie Eva die Nägel lackiert. Lila.

Grace erzählt in Ich-Form vor allem die Geschichte einer besonderen Mutter-Tochter-Beziehung. Dass Maggie gedankenlos und chaotisch ist, wird sofort spürbar, doch es dauert seine Zeit, bis Grace zur Sprache bringt, was sie nur zögernd vor sich selbst zugibt: Die Rollen sind vertauscht. Den Tod ihres Mannes, als Grace zwei Jahre alt war, hat Maggie nie verwunden. Sie trinkt und lebt in einer Scheinwelt, ist der Meinung, alles im Griff und das Recht auf eine gute Zukunft zu haben. Doch es ist Grace, die den Alltag am Laufen hält und mit Nebenjobs für ein kleines Einkommen sorgt. Es ist Grace, die ihrer Mutter Freundin und Beschützerin ist. Dabei ist Maggie durchaus liebenswert mit ihrer Begeisterungsfähigkeit, ihrer Verletzlichkeit, dem Hunger nach Leben. Kein Wunder, dass Grace in einen schlimmen Konflikt gerät, als sie erkennt, dass es so nicht weitergehen kann.

Graces Erzählstimme wird weich, wenn sie von Eva spricht. Der Autorin gelingt es überzeugend, die anfängliche Unsicherheit des Mädchens und die Zartheit der Beziehung darzustellen. Es gibt viel Liebe in dieser Geschichte. Liebe, die nicht ankommt, Liebe die erst nach und nach angenommen werden kann, und empfindsame, romantische Liebe.

Ein vielschichtiges, berührendes Buch, das eine Menge begeisterter Leserinnen verdient.

Ashley Herring Blake: Eine Handvoll Lila.
Magellan, Januar 2018.
352 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Ines Niederschuh.

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