Angeline Boulley: Firekeeper’s Daughter

Daunis Fontaine entstammt zwei Welten: Sie ist eine Fontaine, Enkelin des Bürgermeisters und Inhabers der größten Baufirma der Oberen Halbinsel am Lake Superior. Und sie ist die Tochter von Levi Firekeeper sr. vom Stamme der Ojibwe. Weiße halten sie oft für eine Native American, für Natives gehört sie manchmal nicht richtig dazu. Die Parallelen zur Autorin sind unverkennbar: Angeline Boulley hat eine weiße Mutter und einen Ojibwe-Vater. Sugar Island, wo die Handlung spielt, nennt sie ihre Heimat.

Am Anfang lässt sich Angeline Boulley Zeit beim Erzählen. Aus der Perspektive der 18jährigen Daunis stellt sie deren Mutter vor, die Beziehung zu ihrem Bruder Levi, der nur drei Monate jünger ist, die beste Freundin, die Leidenschaft für Eishockey, die Ojibwe-Community, Ojibwe-Traditionen. Sie reißt Probleme an und wirft Fragen auf: Warum starb Daunis’ Vater, als sie und Levi erst sieben Jahre alt waren? Wie haben es sowohl die Fontaines als auch die Firekeepers bislang geschafft, dem Mädchen gerecht zu werden, ohne sie zu zerreißen? Wird sie sich für eine der beiden Welten entscheiden müssen? Weiterlesen

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Hazel Prior: Miss Veronica und das Wunder der Pinguine

Veronica McCreedy ist fünfundachtzig Jahre alt und ziemlich einsam. Sie legt Wert auf gutes Benehmen, Eleganz und darauf, dass man sie auf ihrem Landsitz in Schottland in Ruhe lässt. Abgesehen davon, dass sie zu einigem Reichtum gekommen ist, hat es das Leben nicht allzu gut mit ihr gemeint. Andere Menschen sind ihr ein Gräuel. Sie verschließt sich so sehr, dass sie nicht imstande ist, wahre Freundlichkeit zu erkennen. Für ihre Haushälterin Eileen beispielsweise hat sie nur eine etwas mitleidige Verachtung übrig, dabei meint es Eileen wirklich gut mit ihr. Veronica verbringt ihre Tage damit, Tee zu trinken, Kreuzworträtsel zu lösen, Rosen in Vasen zu arrangieren und Eileen Anweisungen zu erteilen. Das Altwerden macht ihr zu schaffen, doch das würde sie niemals zugeben. Eines Tages bringt Eileen zufällig eine Holzkiste aus der Rumpelkammer zum Vorschein. Darin befinden sich Erinnerungsstücke an Veronicas Jugend, die sie am liebsten für immer unter Verschluss gehalten hätte. Nach einigem Zögern öffnet sie die Kiste und liest ihre alten Tagebücher. Im Fernsehen läuft eine Dokumentation über Pinguine und eine Forschungsstation in der Antarktis. Beides zusammen löst in Veronica merkwürdige Ideen aus: Sie möchte in ihrem Leben noch etwas bewirken, sie will unbedingt die Pinguine mit eigenen Augen sehen und sie muss herausfinden, ob sie doch noch Angehörige hat. Wenn sich Veronica etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt sie sich durch nichts und niemanden davon abbringen. Weiterlesen

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Naomi Fontaine: Die kleine Schule der großen Hoffnung

Der deutsche Titel des schmalen Büchleins klingt ein wenig gefühlsbetont, er kann in die Irre führen. Denn es geht nicht um eine nette, kleine Schule, in der große Hoffnungen Wirklichkeit werden. Der Originaltitel „Manikanetish, Petite Margerite“ indessen verweist auf den Namen einer Schule im Indianerreservat Uashat, rund neunhundert Kilometer nordöstlich von Montreal, wo der Sankt-Lorenz-Strom in den Atlantik mündet. Die Schule wurde Manikanetish genannt, kleine Marguerite, zum Gedenken an eine zierliche Frau dieses Namens, die Dutzende elternlose und schwierige Kinder aufgezogen hat.

Als Ich-Erzählerin Yammie ein kleines Mädchen war, zog die Mutter mit ihr fort nach Québec, weg vom Reservat der Innu, in ein besseres Leben. In Québec war Yammie eine Fremde, dunkelhäutig unter den Weißen. Sie hat studiert und ist Lehrerin geworden. Nach dem Studium will sie zurück nach Uashat. Sie möchte ihren Schülerinnen und Schülern nicht nur Französisch beibringen, sondern auch, wie man sich selbst findet. „Ich würde den Schülern mit fester Stimme von meinem Studium erzählen und davon, warum ich Lehrerin geworden war. […] Ich würde ihnen nicht erzählen, was ich alles aufgegeben hatte. […] Und ich würde nicht auf Innu zu ihnen sprechen. Weil ich Schwierigkeiten mit der Grammatik hatte und den Akzent einer Weißen.“ (Zitat Kapitel „Das Unbekannte“) Weiterlesen

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Richard Wagamese: Der gefrorene Himmel

Kamloops und Cranbrook in British Columbia, Marieval in Saskatchewan – Orte in Kanada, die in jüngster Zeit in die internationalen Schlagzeilen gekommen sind. Hier wurden die Überreste Hunderter Kinderleichen gefunden, alle in der Nähe von ehemaligen Schulen und Internaten für Kinder indigener Ureinwohner.

Residential Schools waren von religiösen Denominationen geleitete und von der Regierung lizenzierte Internate für indigene Kinder. Seit ihrer Gründung im 19. Jahrhundert […] wurde hier den Kindern oft Hunderte von Kilometern von ihren Familien entfernt die Verbindung zu ihrer Kultur und Sprache ausgetrieben, vielfach mit Gewalt. […] Die weitverbreitete sexuelle und psychische Gewalt zerstörte nur allzu oft ihre Bindungs- und Vertrauensfähigkeit.“ (Zitat aus dem Nachwort von Katja Sarkowsky)

Ich-Erzähler Saul Indian Horse stammt aus dem Fish-Clan der nördlichen Ojibwe. Als Kind zieht er mit seiner Familie noch durch die Wildnis, erlernt die traditionelle Lebensweise der Ojibwe, verborgen vor den Weißen, immer auf der Hut vor einem finsteren Wesen, das „Schule“ heißt und schon viele Indianerkinder verschlungen hat. Nach dem Tod seiner Großmutter im Winter 1961 wird der achtjährige Saul aufgegriffen und in die St. Jerome’s Residential School gebracht. Er zieht sich vor dem Grauen in sich selbst zurück, wird zur unauffälligen Randfigur, um zu überleben. Weiterlesen

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Tove Ditlevsen: Abhängigkeit

„Abhängigkeit“ ist der dritte Teil von Tove Ditlevsens autofiktionaler Kopenhagen-Trilogie.

Tove hat den Verleger Viggo F. Møller geheiratet. Sie ist Dichterin geworden, was in „Kindheit“ noch unmöglich schien. Ihre Gedichte und Erzählungen werden veröffentlicht, sie hat sich vom Arbeitermilieu losgelöst. Die Einsamkeit und das Gefühl des Andersseins jedoch sind geblieben. Mit dem viel älteren Viggo verbindet sie keine Liebe. Sie hat Affären, lässt sich scheiden, heiratet wieder, bekommt ein Kind. Ihr zweiter Mann Ebbe liebt sie, doch er kann sie nicht halten, Tove ist alles zu eng, sie träumt von … Das weiß sie selbst nicht recht, nur das Schreiben, das muss sein. Sie schläft mit Carl, einem Mediziner, wird schwanger. Carl hilft ihr bei der Abtreibung und spritzt ihr zum ersten Mal Pethidin. „Während die Flüssigkeit aus der Spritze in meinem Arm verschwindet, breitet sich eine nie gekannte Seligkeit in meinem Körper aus. Der Raum erweitert sich zu einem strahlenden Saal […]“ (Zitat Erster Teil Kap. 12). Toves Abhängigkeit beginnt. Immer wieder will sie dieses Gefühl haben, keine Erwartungen erfüllen zu müssen, der Wirklichkeit entkommen zu können und vollkommen glücklich zu sein. Sie heiratet Carl, damit die Pethidinspritze jederzeit verfügbar ist. Und er gibt ihr, was sie will, wann immer sie will. Immer öfter. Dass er ein Psychopath ist, ahnt die Leserin bald, Tove verschließt die Augen vor unangenehmen Wahrheiten und gerät immer tiefer in den Strudel der Sucht. Anfangs kann sie noch schreiben, am besten gelingt es mit der Hilfe von Methadontabletten, später kann und will sie nichts mehr, nur noch die Erlösung der nächsten Dosis. Mit letzter Kraft schafft sie es, sich in eine Klinik einweisen zu lassen und ihr Leben zu retten. Die Spirale aus Sucht, Entzug und Rückfällen wird erst mit Toves Selbstmord enden. Weiterlesen

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Tove Ditlevsen: Jugend

„Jugend“ ist der zweite Band der autofiktionalen Kopenhagen-Trilogie. Der Vorgänger „Kindheit“ erschien bereits im Januar 2021 im Aufbau Verlag.

Tove ist der Kindheit entkommen. Doch die Jugend scheint kaum besser zu sein. Phasenweise wirkt Tove wie eine Fremde im eigenen Leben. Ihre erste Anstellung als Haushälterin dauert nur einen Tag, die Vierzehnjährige ist vollkommen überfordert. Sie schlägt sich von einem Job zum nächsten durch und ist überzeugt, dass ihr wahres Leben erst mit achtzehn Jahren beginnen wird. Als der Redakteur stirbt, der ihr einst sagte, sie solle mit ihren Gedichten in ein paar Jahren wiederkommen, liegt ihr großer Traum in Scherben. Trotzdem schreibt sie weiter, humorige Auftragsarbeiten für Geburtstage und Jubiläen, aber auch echte Gedichte; nach und nach vermag sie zu erkennen, wenn sie gut sind. Ihre Lebenswirklichkeit ist ernüchternd, das lange und qualvolle Sterben ihrer Tante Rosalia, die auch in Dänemark wachsende Begeisterung für die Nazis, die Stelldicheins mit beliebigen Jungen bei Tanzabenden. Tove spürt nichts, wenn sie geküsst wird. Weiterlesen

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Tove Ditlevsen: Kindheit

„Kindheit“ ist der erste Teil der autofiktionalen Kopenhagen-Trilogie. Die Ich-Erzählerin Tove ist genau ein Jahr später geboren als die Autorin Tove Ditlevsen. Sie wirkt authentisch, verlässlich, doch es bleibt den Leserinnen überlassen zu ergründen, was wahrhaft erinnert ist und was Fiktion.

Tove wächst in den 1920er Jahren in einem Arbeiterviertel in Kopenhagen auf, in einer Gegend, wo Männer in den Höfen trinken und Mädchen viel zu früh schwanger werden. Die Verhältnisse der Familie sind äußerst bescheiden und verschlechtern sich noch, als der Vater die Arbeit als Heizer verliert. Die Mutter ist unnahbar und unzufrieden mit ihrem Leben. Tove versteht die Mutter nicht und setzt doch alles daran, eine noch so kleine liebevolle Geste zu erhaschen. An schlechten Tagen macht sich Tove am besten unsichtbar, um nur nicht den Zorn der Mutter auf sich zu ziehen. Überhaupt ist Tove schon als Kind eine Meisterin der Täuschung. Niemand soll von dem Gesang in ihrem Inneren erfahren, wenn sie schöne Worte hört, von den Gedichten, die sie heimlich in ihr Poesiealbum schreibt. Deshalb stellt sie sich dumm. Sie fühlt sich auch oft dumm, denn sie weiß nicht, wie man spielt. Mit anderen Kindern kann sie wenig anfangen, bis sie Ruth kennenlernt. Weiterlesen

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Christian Guay-Poliquin: Das Gewicht von Schnee

In diesem Buch gibt es keine Gewissheiten. Wenn überhaupt, dann nur diese: Wie hoch der Schnee liegt. Der namenlos bleibende Ich-Erzähler kann die Schneehöhe mit einem Fernrohr an einem Messstab ablesen. Er beobachtet, wie der Schnee fällt, wie sich das Licht mit dem Wetter wandelt. Nach einem schweren Autounfall ist er mit zwei gebrochenen Beinen ans Bett gefesselt. Eigentlich wollte er nach vielen Jahren in seinem Heimatdorf den Vater besuchen, doch er kam zu spät. Der Vater war gestorben und der Stromausfall hat alles verändert. Die Menschen versuchen sich in ihrem stromlosen Leben einzurichten, es gibt Straßensperren, bewaffnete Gruppen, die durch die Gegend ziehen. Manche wollen an die Küste, andere in die Stadt, obwohl auch dort wahrscheinlich der Strom ausgefallen ist. Was genau passiert ist, weiß man nicht. Alles außerhalb des Dorfes bleibt undeutlich hinter Flockenwirbeln aus Schnee. Vielleicht gibt es gar keine Zivilisation mehr.

Auch der alte Matthias will in die Stadt, zurück zu seiner demenzkranken Frau. Er hat sie dort im Krankenhaus zurückgelassen, nur für ein paar Tage, er musste mal raus. Dann kam der Stromausfall. Matthias ist im Dorf gestrandet und bezog ein leeres Haus abseits am Waldrand. Die Dorfbewohner mögen keine Fremden, doch sie bieten ihm einen Deal an: Wenn er sich um den Verletzten kümmert, der immer noch irgendwie einer der Ihren ist, versorgen sie ihn mit Lebensmitteln und Brennholz und er bekommt einen Platz im Kleinbus, sobald sie in die Stadt fahren können. Nach dem Winter. Weiterlesen

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Richard Wagamese: Das weite Herz des Landes

Franklin Starlight stammt von den Ojibwe ab. Er war der einzige Indianer in der Schule, wegen seiner Schweigsamkeit wird er oft für mürrisch gehalten. Am wohlsten fühlt er sich, wenn er mit der Stute auf kaum zu entdeckenden Pfaden das Hochland durchstreift, manchmal wochenlang. Allein. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich beim Alten auf der Farm. Der Alte hat ihn aufgezogen, ihn alles gelehrt: Arbeit, Jagd, Respekt vor der Natur. Als Frank sechzehn ist, lässt ihn sein Vater zu sich rufen. Eldon Starlight ist ein herunter gekommener Alkoholiker, der in einer Kaschemme in der Fabrikstadt am Parson’s Gap lebt und sich als Tagelöhner durchs Leben schlägt. Pflichtbewusst macht sich Frank auf den mehrtägigen Weg in die Stadt. Er erwartet nichts vom Vater. Seit er denken kann, lebt er beim Alten; der Vater kam selten, jedes seiner Versprechen wurde zur Enttäuschung.

Eldon geht es sehr schlecht. Er will, dass Frank ihn in die Wildnis bringt, in die Gegend, aus der er gekommen ist, und ihn dort mit dem Gesicht nach Osten begräbt, im Sitzen, wie einen Krieger. Widerwillig stimmt Frank zu. Weiterlesen

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Polly Clark: Tiger

Seit Jahren beobachtet und dokumentiert Frieda im Forschungsinstitut das Verhalten von Bonobos. Die friedfertigen Primaten lenken sie wunderbar von sich selbst ab. Seit sie das Opfer eines Überfalls wurde, ist sie versehrt, körperlich und psychisch. Mit Morphin aus der Institutsapotheke kann Frieda zur Ruhe kommen, wenn Alkohol dafür nicht mehr ausreicht. Sie wird ertappt und gefeuert. Mit viel Glück bekommt sie eine neue Stelle in einem etwas sonderbaren Privatzoo. Dort soll sie sich eigentlich um die Bonobos kümmern, doch als eine ausgemergelte einäugige Sibirische Tigerin in dem Zoo landet, wird Frieda zu deren Betreuerin ernannt. Es entwickelt sich eine ganz besondere Beziehung.

Tomas‘ Vater ist entschlossen, in Sibirien ein Tigerreservat aufzubauen. Er hat ein großes Gebiet gepachtet, vermisst und dokumentiert jeden Abdruck einer Tigerpfote, stellt Kamerafallen auf, kämpft um Fördergelder. Nachdem ein hochrangiger Politiker seinen Besuch ankündigt hat, schickt er Tomas in die Taiga, um frisches Bildmaterial von der Gräfin, der größten Tigerin in der Gegend, und von ihren beiden Jungen zu beschaffen. Es ist der strengste Winter seit Menschengedenken. Tomas macht sich auf den Weg. Er stößt auf die Fährte der Gräfin und folgt ihr. Als er auf die Tigerin trifft, wird daraus die wichtigste Begegnung seines Lebens. Weiterlesen

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