Libby Page: Im Freibad

Seit Kate nach London gezogen ist, fühlt sie sich einsam. Ihre Studienkollegen haben sie eingeschüchtert, ihre Mitbewohner in der WG sieht sie kaum, weil sie sich außerhalb der Arbeit die meiste Zeit in ihrem Bett verkriecht, oft mit einem Glas Wein zu viel. Durch die Straßen läuft sie nur mit gesenktem Kopf, die Panik ständig im Schlepptau. Zu „echten“ Menschen hat sie kaum Kontakt. Geschichten sind ihre Freunde. „Möglicherweise ist es Frühling, aber Kate lebt unter einer Wolke. Sie folgt ihr auf Schritt und Tritt, und wie sehr sie ihr auch zu entkommen versucht, sie scheint sie nicht abhängen zu können.“

In der Redaktion des Lokalblattes Brixton Chronicle, in der sie nach dem Studium gelandet ist, schreibt sie über verschwundene Haustiere und Straßenbauarbeiten, also „die Artikel, die weiter hinten stehen, aber nicht ganz hinten, wo die Sportseiten sind. Die Artikel, die nicht gelesen werden.“

Doch ihr Leben nimmt eine unerwartete Wendung, als der Chefredakteur Phil ihr den Auftrag gibt, über ein Freibad zu berichten, das geschlossen werden soll. Die Immobilienfirma Paradise Living möchte das Gelände kaufen und zu einem privaten Fitnessclub für die Bewohner ihrer Luxuswohnungen umwandeln, die in der Gegend aus dem Boden schießen. Zu Schwimmbädern hat Kate ein gespaltenes Verhältnis, aber sie nimmt den Auftrag an und trifft sich nicht nur mit dem Geschäftsführer, sondern auch mit Rosemary, der „treuesten Schwimmerin des Freibads.“ Weiterlesen

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Patrick Jacquemin: Der Duft von Gras nach dem Regen

Annabelle hat beruflich alles erreicht, was sie sich gewünscht hat. Sie ist ein Star in der Finanzwelt, hat eine Bank gegründet und muss sich um Geld keine Sorgen machen. Dafür arbeitet sie hart und dafür wird sie bewundert.

Doch privat läuft es nicht rund. Ihr Mann hat sich von ihr getrennt, sie teilen sich das Sorgerecht für ihre achtjährige Tochter Léna. Annabelle meidet – soweit es geht – Anlässe, bei denen Privates zur Sprache kommen könnte, denn dazu hat sie nur wenig zu sagen. Seit einer Weile fühlt sie sich nicht mehr wohl in ihrer Haut. Die Arbeit lenkt sie ab, kann sie aber nicht mehr befriedigen, wird sogar mehr und mehr zur Belastung.

Nach einem Essen mit Bekannten bricht sie zusammen. Wut paart sich mit Leere. Sie zweifelt am Sinn ihrer Arbeit und damit am Sinn ihres Lebens.

„Wofür ist es gut, verflixt, dass ich wie eine Kranke schufte? Dass ich von einem Termin zum nächsten hetze? Dass ich Erfolg habe? Wozu das alles?“

Sie sitzt in ihrem Auto und drischt so auf ihr Lenkrad ein, dass sich ein Passant schon Sorgen macht. Doch dann ist da diese verrückte Idee: Abhauen! Paris, die Firma, das Pflichtbewusstsein, die niederschmetternden Gefühle hinter sich lassen. Aufs Land fahren, wo sie aufgewachsen ist. Ruhe finden. Weiterlesen

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Jan Kuhlbrodt: Das Stockholmsyndrom

Herr Rudolph, Lehrer an einer Schule in Frankfurt, sitzt in der Dämmerung alleine in einer heruntergekommenen Lagerhalle. Eingesperrt. Als er nach dem Unterricht am Nachmittag aus seinem Stammcafé gekommen ist, hat ihn ein Fremder gepackt und in einen Lieferwagen gestoßen. Alles ging ganz schnell. Das einzige, was er von ihm gesehen hat, waren die eng beieinander stehenden Augen. Im Gedächtnis geblieben ist ihm auch das Wort „Hundsfott“, mit dem der Mann ihn beschimpft hat.

Ganz rational und logisch geht er an die Sache heran, schließlich ist er Mathematiklehrer. Er analysiert die Umstände anhand der wenigen Details, die ihm bekannt sind, denkt über den Sinn nach, entwirft für sich ein Bild der Situation, versetzt sich in den Entführer hinein, stellt ihn sich vor, sucht einen Ausweg aus der Lage.

Dann, nach ein paar Stunden, wird er wieder freigelassen. Ohne Erklärung. Ohne Lösegeldforderung. Einfach so. Er erzählt niemandem davon. Eigentlich hat er auch niemanden, den das interessieren könnte. Nur zu Frau Wicorek, der Sportlehrerin an seiner Schule, fühlt er sich hingezogen. Aber er hat sich ihr bisher nicht geöffnet. Seine sozialen Kontakte halten sich in engen Grenzen. Weiterlesen

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Remy Eyssen: Mörderisches Lavandou

Herbst an der Côte d’Azur. Nur noch wenige Touristen finden den Weg in das Städtchen Le Lavandou, die Einheimischen sind wieder unter sich. Leon Ritter – Rechtsmediziner und halber Franzose – freut sich auf die ruhige Zeit, in der er öfter in seinem Stammbistro sitzen oder Boule spielen kann. Schließlich war das einer der Gründe, warum er die Frankfurter Universitätsklinik verlassen und eine Stelle in der südfranzösischen Provinz angenommen hat. Mehr Zeit mit seiner Lebensgefährtin Isabelle Morell zu verbringen, die stellvertretende Polizeichefin im Ort ist, hat natürlich auch seinen Reiz.

Doch dann meldet Robert Bonnet seine Tochter Françoise als vermisst. Bonnet hat Pierre Roussel, den Freund seiner Tochter, in Verdacht, einen jungen Mann, der mit einer Autoshow im Ort Station macht und schon öfter in Konflikt mit dem Gesetz war. Isabell nimmt sich mit einem Kollegen der Sache an, findet aber zunächst keine Ansätze für eine Ermittlung. Weiterlesen

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W. Schiffer & D. Gücyeter (Hrsg.): Cinema: Lyrikanthologie

Kino, Cinema, Film – jede und jeder hat dazu wohl andere Assoziationen und Inspirationen. Der Elif Verlag hat Lyrikerinnen und Lyriker eingeladen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und die entstandenen Werke in der neuen Lyrikanthologie „Cinema“ versammelt, die so vielfältig ist, wie das echte, wahre und erfundene Leben innerhalb und außerhalb der Kinos.

Nicht nur Jenseits von Afrika, Jurassic Park, Cinderella und Mad Men, Aki Kaurismäki, Jim Jarmusch, Alfred Hitchcock und Stanley Kubrick, Porno-, Dokumentar-, Spiel- und Zeichentrickfilme, Isabelle Huppert, Tilda Swinton, Laurel und Hardy, bekannte und unbekannte Filmschaffende, Besucherinnen und Besucher und natürlich Kino und Film „an sich“ – als Gefühl, als Eindruck, als Zufluchtsort und Traumraum – haben in dieser abwechslungsreichen Anthologie größere und kleinere Auftritte. Umrahmt wird die Lyrik von gelungenen Filmidol-Collagen von Stefan Heuer, der auch mit einigen Gedichten darin vertreten ist. Weiterlesen

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Anke Glasmacher: Obstkistenpunk

Da steht eine „sie“ vor der Tür und will nicht eintreten in die Welt dahinter, die auf sie (und vielleicht auch auf die Leserinnen und Leser) fremd und furchteinflößend wirkt. Eine (andere?) „sie“ liegt am Bordstein. Vermutlich vergessen.

Ein „er“ dreht am Flughafen auf dem Band seine Runden, überlegt, ob er einen mitkreisenden Rucksack ansprechen soll, schwingt sich dann doch herunter, verlässt die Halle und fährt mit dem Taxi nach Hause. Oder ist es nicht nur einer? Ist der „er“ vom Anfang der Geschichte ein anderer als der „er“ am Ende?

Um eine „sie“ wächst im Stadtpark ein steinernes Iglu, trennt sie von ihrer Umwelt und wirft sie auf sich selbst zurück. Im „Viertel“ tauchen mysteriöse herrenlose Päckchen auf und im Grab liegen zwei. Doch welche zwei?

Aus diesem Stoff sind die Geschichten von Anke Glasmacher, die mich herausgefordert, aber auch beeindruckt haben. Menschen (oder auch ein Koffer) tummeln sich darin, die wenig von sich preisgeben, nur selten ihre Namen oder Funktionen. Immer wieder habe ich mich gefragt, wer „er“ und „sie“ sind, wie ich sie festhalten und identifizieren kann, um ihnen näher zu kommen. Doch die Geschichten und die Figuren entziehen sich einer einfachen Annäherung. Sie verwirren bewusst, sind Momentaufnahmen aus einer absurden, beängstigenden und komplexen, aber faszinierenden Welt, die stellenweise lose – manchmal nur durch einzelne Worte – verknüpft scheinen. Weiterlesen

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Walter Rügert (Hrsg.): Aus dem Leben von Clara und Emanuel von Bodman

Emanuel von Bodman ist kein Autor, den heutzutage noch viele Menschen kennen. Doch seine Gedichte, Dramen und Novellen wären wahrscheinlich noch weit unbekannter, wenn nicht seine dritte Ehefrau Clara ihr Leben der Aufgabe gewidmet hätte, während der Ehe ihrem Mann den Rücken freizuhalten und nach dessen Tod sein Werk zu bewahren und den Menschen zugänglich zu machen. Diese Hingabe hat sie in ihrem langen Leben (1890-1982) begleitet und geleitet. Sie selbst hat sich mit dieser Entscheidung glücklich gefühlt, auch wenn die Zeiten nicht immer rosig waren.

Dass Clara von Bodman nicht nur die liebevolle „Frau an seiner Seite“, sondern eine kluge, belesene und sprachlich ausdrucksstarke Frau war, die gleichzeitig mit beiden Beinen auf der Erde stand und den gemeinsamen Alltag organisierte, zeigen die von Walter Rügert herausgegebenen Texte.

Ihr kurzer „Nachruf zu Lebzeiten“ leitet das Buch ein. Hierin hat Clara von Bodman schon früh die ihrer Meinung nach wichtigsten Daten und Ereignisse ihres Lebens zusammengefasst. So gibt sie nicht nur dem Pfarrer für ihre Beerdigung, sondern auch den Leserinnen und Lesern einen Überblick über ihren Werdegang und darüber, was ihr wichtig war. Weiterlesen

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Alma M. Karlin: Einsame Weltreise

Als Alma M. Karlin im November 1919 mit wenig Geld zu ihrer langen Reise aufbricht, liegt die Welt noch in den Nachwehen des vergangenen Krieges. Doch ein unbändiger Wissensdurst und Forscherinnendrang macht es ihr unmöglich, in der Heimat zu bleiben.

Ein heimtückisches Übel hat sie ereilt, nachdem sie ihren ersten Roman verkauft hatte: „[Ich] entwickelte Anzeichen von Größenwahn, sah mich schon als modernen Columbus eine neue Welt entdecken und traf ernstliche Vorbereitungen zur Eroberungsfahrt.“

Ihr erstes Ziel ist Japan, das sie allerdings – der widrigen Umstände wegen – erst nach einem rund zweijährigen Umweg über den amerikanischen Kontinent erreicht. Auf diesem ersten Abschnitt ihrer Reise findet sie zwar Bekannte, mit denen sie sich gut versteht, und vor allem mit dem Botaniker Herrn G. unternimmt sie zahlreiche Landausflüge, bei denen sie Land, Leute, Tiere und Pflanzen entdeckt, aber letztendlich trennen sich die Wege und Alma landet einsam – nur begleitet von ihrer treuen Schreibmaschine Erika – und abgebrannt in Peru. Doch auch nach Schmutz, Armut, Verzweiflung, Krankheit und der gefühlt fortwährenden Bedrängung und sexuellen Belästigung durch Männer, kommt es ihr nicht ernsthaft in den Sinn, ihre Entdeckungsreise abzubrechen. Weiterlesen

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Judith W. Taschler: Das Geburtstagsfest

Kim hat keine Lust, seinen 50. Geburtstag zu feiern, zumindest nicht mit vielen Menschen. Nur mit der Familie, vielleicht noch mit seinen wenigen engen Freunde, so könnte er es sich vorstellen. Mit zunehmendem Alter meidet er die Gesellschaft. Immer mehr lange verschüttete Gedanken und Gefühle kommen ans Licht.

„Er hatte mehr erreicht, als er jemals zu träumen gewagt hatte.“ Kim, der Flüchtlingsjunge, der seinen Traum von Familie und Selbständigkeit als Architekt verwirklichen konnte. Aber die Glücksgefühle von früher wollen sich nicht mehr einstellen. Er zweifelt daran, ob sein Leben tatsächlich in den richtigen Bahnen verläuft, aber noch verdrängt er die dramatischen Ereignisse aus seiner Jungend, so gut er kann.

Doch seine Frau Ines plant – ohne sein Wissen – eine große Feier und auch die Kinder haben eine Überraschung für ihn: Jonas, der Jüngste, hat Tevi Gardiner eingeladen. Die Tevi, die als Kind Ende der 1970er Jahre gemeinsam mit Kim in das österreichische Dorf P. nahe Linz gekommen war, die Tevi, die er auf der gefährlichen Flucht durch den kambodschanischen Dschungel tagelang getragen hatte, weil ihr die Ruhr und der Tod ihrer Familie alle Kraft genommen hatten. Weiterlesen

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Linda Vilhjálmsdóttir: Freiheit

Freiheit – in diesem Wort steckt eine außergewöhnliche Tiefe und eine Menge Sprengkraft. Wo beginnt die individuelle Freiheit, wo endet sie? Darf oder kann man die persönliche Freiheit einschränken, um eine Gesellschaft als Ganzes freier oder „besser“ zu machen – wie auch immer man „besser“ definiert? Geistige Freiheit, körperliche Freiheit, Entscheidungsfreiheit, gesellschaftliche Freiheit, politische Freiheit, religiöse Freiheit und noch so viel mehr – kann es einen Vorrang für eine Art der Freiheit geben, wenn dies eine andere beschneidet?

Die Antworten auf diese Fragen sind so vielfältig wie die Menschen, die darüber nachdenken. Linda Vilhjálmsdóttir widmet der Freiheit einen Gedichtzyklus, in dem sie darüber aus ihrer Sicht reflektiert. Im Hintergrund steht die Situation ihres Heimatlandes Island währende der letzten Finanzkrise. Doch die meisten ihrer Überlegungen und Einsichten lassen sich ohne weiteres in einen universellen Zusammenhang stellen.

Dies wird schon auf den ersten Seiten deutlich, wenn es heißt:

wir haben
das wort vervielfacht
auf erden

vervielfacht die festungen
zwischen himmel und erde
vervielfacht gott

vervielfacht das lachen
das weinen den hass und die gier
vervielfacht alles
zwischen himmel und erde
alles außer der güte Weiterlesen

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