Sigurður Pálsson: Gedichte erinnern eine Stimme

Gewöhnlich beginne ich meine Rezensionen mit einem Einblick in den Inhalt des beschriebenen Buches. Nun habe ich erstmals einen Lyrikband ausgewählt. Doch worum geht es in „Gedichte erinnern eine Stimme“? Erzählen diese Gedichte Geschichten? Ich meine ja. Sie sprechen vom Leben, von den Elementen, die es ermöglichen und bereichern, von Feuer und Schatten, Erde, Stimmen in der Luft, dem Wasser oberhalb und unterhalb.

Der isländische Autor Sigurður Pálsson, der nicht nur in der Lyrik unterwegs war, nimmt die Leserinnen und Leser mit in eine Welt der Poesie, die vom Alltag durchdrungen ist und die den Alltag durchdringt. Beides ist nicht zu trennen.

Gleich im ersten Gedicht „Feuer und Schatten“ ist zu lesen:

Sonnige Heiterkeit
Das ist die richtige Einstellung
So wollen wir ankämpfen
gegen das Bleierne und Dunkle
gegen Unrecht und Gewalt
die ganze lange Liste … Weiterlesen

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Stefan Heuer: Katzen im Sack

Rolf und Frank gondeln mit ihrem zweigeteilten Wohnmobil – jeder hat sein eigenes Reich darin – durch Norddeutschland. Immer im Schlepptau der Anhänger mit Schießbude (für Rolf) und Angelstand (für Frank), die sie auf allen möglichen Festen und Märkten für das zahlende, aber auch Arbeit und Dreck machende Volk öffnen.

Die beiden mögen es eher gemütlich: ausschlafen, mit der Playstation zocken, Filme gucken (und sich gegenseitig bei Zitaten daraus auf die Probe stellen), ab und zu eine Frau vernaschen (vor allem Rolf, der gerne mal den Macho raushängen lässt). Dabei geht es nicht zimperlich zu und an Alkohol und Nikotin wird nicht gespart. Eine echte Männerfreundschaft eben.

Dann tritt Sybille in ihr Leben – das heißt, vor allem in Franks Leben. In einer Bierlaune hatte er ein Schild an seinem Enten-Angelstand angebracht: Junge Frau zum Mitreisen gesucht. Die Ehre und eine Wette hatten verboten, es wieder abzunehmen, als Sybille fragt, ob die Stelle noch frei sei.

Frank verguckt sich sofort in die geheimnisvolle junge Frau, mit der er gleich sein Wohnmobil-Abteil und nicht viel später auch sein Bett teilt. Selbst nach mehreren Wochen gemeinsam auf Achse, weiß er von ihr nicht viel mehr als ihren Vornamen und dass sie aus Göttingen stammt. Weiterlesen

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Armin Strohmeyr: „Sie war die wunderbarste Frau“

Als Maria Sophia Gutermann im Dezember 1730 in Kaufbeuren geboren wird, ist ihr Vater, der „Stadtphysikus“ Georg Friedrich Gutermann, enttäuscht: Sein erstes Kind ist kein Junge, sondern ein Mädchen, das sich jedoch bald als eine Art „Wunderkind“ erweist. Schon mit drei Jahren kann sie – nach eigenen Angaben – lesen. Gefördert wird sie dabei vom Vater, der ihr – zu dieser Zeit in Ermangelung eines männlichen Nachkommens, der sich erst als 13. Kind einstellen wird – eine „für damalige Verhältnisse außergewöhnliche Erziehung und Bildung zukommen“ lässt. Dennoch zielt diese Bildung immer darauf, „später eine folgsame Gattin und pflichtbewusste Hausfrau zu sein.“ Sophie wird dies verinnerlichen und sich bis ins hohe Alter danach richten.

Bald beherrscht sie das Französische perfekt, lernt aber ebenso Klavier zu spielen, zu tanzen, zu zeichnen, zu sticken und die Führung von Küche und Haushalt – eben alles, was in gehobenen Kreisen von einer Frau erwartet wird. Dass sie diese Kenntnisse perfekt anwenden kann, beweist sie nach ihrer Heirat mit Georg Michael Frank La Roche – dem Verwalter, Sekretär und wahrscheinlich auch unehelichen Sohn des Grafen von Stadion – im eigenen Haushalt. Doch immer wieder hat sie ihren eigenen Kopf und ihre Wünsche, die sie manchmal durchsetzt, manchmal aber auch nur in ihrem Inneren bewegt oder ausführlich in gefühlvollen Briefen beschreibt. Weiterlesen

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Meredith May: Der Honigbus

Meredith ist noch keine fünf Jahre alt, als ihre Mutter Sally 1975 den Vater verlässt und mit den beiden Kindern von der Ostküste der USA ins ländliche Carmel Valley nach Kalifornien zieht. Dort leben die Großeltern in einem winzigen Haus, in dem sich die zerrissene kleine Familie in den nächsten Jahren ein Zimmer teilen wird.

Schon auf dem Flug spürt Meredith, dass ihr die Mutter abhandenkommt. „Irgendwo zehntausend Meter über der Mitte Amerikas hatte sie es aufgegeben, eine Mutter zu sein.“

In Kalifornien angekommen, verfällt Sally sofort in eine tiefe, jahrelange Depression und verkriecht sich im Bett. Die Großmutter Ruth nimmt sich Merediths und ihres kleinen Bruders Matthew an. Doch sie ist streng und obwohl sie Lehrerin ist, findet sie keinen wirklichen Zugang zu den Kindern. Ihre Loyalität und Zuneigung gehört vor allem ihrer Tochter, die sie in ihrem schwer angeschlagenen Zustand beschützen möchte. Warum ihr das so wichtig ist, wird im Laufe des Buches deutlich.

Sally gibt die Schuld an der Trennung ihrem Mann und lässt kein gutes Haar an ihm. Doch Meredith vermisst ihren Vater, zu dem zunächst jeglicher Kontakt eingestellt wird und fragt sich „Wenn alle so tun, als würde dein Vater nicht existieren, gibt es ihn dann noch?“ Weiterlesen

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Lawrence Osborne: Welch schöne Tiere wir sind

Seit vielen Jahren verbringt die britische Familie Codrington den Sommer auf der griechischen Insel Hydra. Jimmie verdient sein Geld vor allem mit Kunst und ein paar anderen Geschäften, bei denen er sich ungern in die Karten schauen lässt. Gemeinsam mit seiner zweiten Frau Phaine pflegt er Kontakt zu den alten Bohemiens, die die Insel bevölkern und lässt keine der elitären Gesellschaften aus. Die wohlhabenden Ausländer bleiben bis auf wenige Ausnahmen unter sich.

„Das Alleinsein war etwas, das ihnen nichts bedeutete“, denkt sich Naomi, Jimmies Tochter aus erster Ehe, die überraschend in diesem heißen Sommer mit ins Ferienhaus einzieht. Mit ihrer Stiefmutter kann sie überhaupt nichts anfangen. Und auch die Beziehung zum Vater kriselt.

Naomi, die als Anwältin in London arbeitete, wurde ihr Job gekündigt. Was sich genau zugetragen hat, bleibt im Dunkeln. Sie lässt sich treiben, geht frühmorgens schwimmen, kifft ab und an und genießt die griechische Küche. Die Insel kennt sie wie ihre Westentasche. Schon als Kind hat sie alle verborgenen Winkel erkundet. Als sie die Amerikanerin Sam kennenlernt, die mit ihrer Familie Urlaub macht, nimmt sie diese in den Schlepptau und streift an der Küste und im Landesinneren umher. Weiterlesen

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Nelly Kostadinova: Ein Koffer voller Wollen

Als Nelly Kostadinova 1990 aus Bulgarien nach Deutschland kam, war sie 33 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern und in ihrem Heimatland eine gestandene, preisgekrönte Journalistin. Mit wenig Geld und einem Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung begann sie Deutsch zu lernen und schrieb zunächst weiterhin Artikel für verschiedene Zeitungen. Bis sie eines Tages an der Uni eine Anzeige las: „Studenten aus Osteuropa als Dolmetscher für ausländische Flüchtlinge gegen geringe Bezahlung gesucht …“

Mit diesem Aushang begann ihr Leben als Dolmetscherin, Übersetzerin und nur wenige Jahre später als Firmengründerin. In der Zwischenzeit hat ihr Unternehmen Lingua-World zahlreiche Filialen im In- und Ausland. Nelly Kostadinova ist zum „Global Player“ geworden. Wie es ihr gelungen ist, ausgehend von ihrem ersten Büro im Ausstellungsraum eines Lampenladens in Köln ein dichtes Netz an Niederlassungen in Deutschland zu gründen und auch nach Johannesburg und Kigali zu expandieren, erzählt sie in diesem Buch eindrucksvoll, unterhaltsam und mit viel Schwung.

Sie berichtet von einfallsreichen Werbekampagnen beim Kölner Karneval und viralem Marketing wider Willen, von einem Dämpfer bei der IHK und Ausflügen in die Tagungsorganisation, von ihrem Büro auf Zuwachs und der Suche nach Fachkräften in Südafrika. Weiterlesen

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Marion Brasch: Lieber woanders

Die echte erfundene Geschichte beginnt an einem außergewöhnlich warmen Freitag im Oktober. Zwei Menschen, die sich nicht kennen, sich aber schon einmal begegnet sind, bewegen sich für 24 Stunden aufeinander zu, bis ihre Wege sich kreuzen.

Die eine: Toni, eine unangepasste junge Frau, die auf dem Dorf in einem Wohnwagen lebt. Seit sechs Jahren schon. Der Kontakt zu ihren Eltern ist eingeschlafen. Toni hingegen schläft eher schlecht, seit die Sache damals passiert ist. Und die Träume können ihr gestohlen bleiben. Sie jobbt beim Schönen Ringo in der Kneipe und spart für eine Reise nach Neuseeland. Ihre Leidenschaft ist das Zeichnen. Erst vor Kurzem sind ein paar ihrer Bilder zu einem Verlag gelangt. „Morgen wird sie in die große Stadt fahren und die Verlagsfrau treffen, die ihre Bilder gut findet und ein Buch daraus machen will. Verrückte Sache.“ Toni weiß nicht, was man an ihrem Krickelkrakel finden kann, aber besonders das Winterkind mit der roten Pudelmütze und ihr Manteltaschengefährte Herr Jemineh haben es der Verlagsfrau angetan. Weiterlesen

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Nicola Karlsson: Licht über dem Wedding

Der Berliner Wedding – ein Stadtteil, in dem Kulturen und Lebensentwürfe aufeinanderprallen. Hier siedelt Nicola Karlsson ihren neuesten Roman an, doch er könnte in jeder Stadt spielen, denn überall gibt es Menschen wie Hannah, Wolf und Agnes. Hannah, gerade einundzwanzig geworden, verdient ihr Geld mit einem Modeblog. Immer mehr rückt sie dort die Bilder in den Vordergrund. Firmen schicken ihr Kleider, in denen sie sich fotografieren lässt – auf der Straße, in der Kneipe, zu Hause. „Wenig Worte, dafür eine Realität ohne hässliche Gedanken.“ Doch sie lächelt nie auf den Fotos. „Als sie dreizehn war, hatte eine Mitschülerin gesagt, dass sie dann wie ein Pferd aussähe. Das saß. Bis heute.“ Zum Lachen ist ihr sowieso meist nicht zumute: Ihre Beziehung zur Mutter ist mehr als angespannt, daran ändert auch deren Krebserkrankung nichts – ganz im Gegenteil – und das Verhältnis zu ihrer besten Freundin und Mitbewohnerin Fee kühlt immer weiter ab.

Agnes hingegen fehlt ihre Mutter nicht, die vor ein paar Jahren abgehauen ist und sich seither nie gemeldet hat. Sie lebt mit ihrem Vater Wolf im selben Haus wie Hannah und hat derzeit ganz andere Probleme: Sie vermutet, dass sie schwanger ist und ihr Freund Rico macht mit einer anderen rum. Weiterlesen

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Martina Bergmann: Mein Leben mit Martha

Martha ist Heinrichs große Liebe. Fast 40 Jahre lebt das unkonventionelle Paar zusammen in einem kleinen Haus auf dem Dorf und ist nicht allen Nachbarn geheuer. Doch in den letzten Jahren ist Martha nicht mehr ganz die alte. Sie ist in einer „poetischen Verfassung“, sagt Heinrich. Andere Leute nennen es Demenz. Der Alltag läuft nicht mehr richtig rund. Heinrich – ganz der zerstreute Professor – achtet nicht sonderlich auf sein Äußeres, sondern befasst sich am liebsten mit Literatur, Philosophie und Mathematik. Martha ist im Haus und drumherum geschäftig, aber sie verzettelt sich und hat ihre ganz eigenen Methoden, in sich und um sich Ordnung zu halten. Leider verstehen das viele Menschen nicht.

Martina ist eigentlich „nur“ Heinrichs Buchhändlerin und einige Jahrzehnte jünger. Aber sie hat Heinrich und Martha ins Herz geschlossen und sorgt dafür, dass es die beiden weiterhin gut haben. Als Heinrich krank wird und stirbt, pflegt ihn Martina bis zum Schluss und erbt das Haus. Die beiden Frauen beschließen, eine WG zu gründen – das heißt, Martha ist einverstanden, Martina bei sich aufzunehmen. Weiterlesen

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Han Kang: Deine kalten Hände

„Warum verwenden Sie für Ihre Werke die Abdrücke von Menschen?“, fragt die Autorin H. den Bildhauer Jang Unhyong bei einem zufälligen Zusammentreffen. Die Antwort darauf bleibt er ihr schuldig. Einige Monate später erfährt sie von Unhyongs Schwester, dass er spurlos verschwunden ist. Hinterlassen hat er nur eine Reihe seiner berühmten Gipsabdrücke und ein Manuskript mit dem Namen „Ihre kalten Hände“, das ihr die Schwester überlässt und das mit folgenden Worten beginnt: „Warum?“, fragte mich die Schriftstellerin H.

Sie fängt an zu lesen: über Unhyongs Leben, seine Gedanken und Gefühle, ungeschminkt aufgezeichnet von ihm selbst, ausgehend von der Frage: „Warum? Warum ist die Mitte meines Lebens so absolut hohl?“ Doch ihm ist klar, dass er keine Antwort auf diese Frage geben wird.

Gemeinsam mit der Schriftstellerin H. tauchen die Leserinnen und Leser in Unhyongs Geschichte ein. Weiterlesen

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