Stefan Heuer: Katzen im Sack

Rolf und Frank gondeln mit ihrem zweigeteilten Wohnmobil – jeder hat sein eigenes Reich darin – durch Norddeutschland. Immer im Schlepptau der Anhänger mit Schießbude (für Rolf) und Angelstand (für Frank), die sie auf allen möglichen Festen und Märkten für das zahlende, aber auch Arbeit und Dreck machende Volk öffnen.

Die beiden mögen es eher gemütlich: ausschlafen, mit der Playstation zocken, Filme gucken (und sich gegenseitig bei Zitaten daraus auf die Probe stellen), ab und zu eine Frau vernaschen (vor allem Rolf, der gerne mal den Macho raushängen lässt). Dabei geht es nicht zimperlich zu und an Alkohol und Nikotin wird nicht gespart. Eine echte Männerfreundschaft eben.

Dann tritt Sybille in ihr Leben – das heißt, vor allem in Franks Leben. In einer Bierlaune hatte er ein Schild an seinem Enten-Angelstand angebracht: Junge Frau zum Mitreisen gesucht. Die Ehre und eine Wette hatten verboten, es wieder abzunehmen, als Sybille fragt, ob die Stelle noch frei sei.

Frank verguckt sich sofort in die geheimnisvolle junge Frau, mit der er gleich sein Wohnmobil-Abteil und nicht viel später auch sein Bett teilt. Selbst nach mehreren Wochen gemeinsam auf Achse, weiß er von ihr nicht viel mehr als ihren Vornamen und dass sie aus Göttingen stammt.

Sybille verabschiedet sich in die Sommerpause mit dem festen Versprechen, danach zu Frank zurückzukehren. Doch als die ersten Herbstmärkte anstehen und Frank probiert, sie zu erreichen, hat er nur hundertfach die Mailbox an der Strippe. Niedergeschlagen und verzweifelt, setzt er alle Hebel in Bewegung, um Sybille wieder zu finden. Doch allzu viele fallen ihm da gar nicht ein. Sie bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Erst als ein alter Freund, der beim Einwohnermeldeamt arbeitet, beginnt zu recherchieren, kommt die Sache ins Rollen. Und die Entwicklung verlangt Frank und Rolf das Äußerste ab.

Tja, was soll ich sagen? Ein Buch wie ein Jahrmarkt: unterhaltsam, witzig, kurios, politisch unkorrekt, derb und heimelig. Alles ist drin, von der Sozialstudie im Biotop der Budenbesitzer und Festbesucher über eine Liebes- und Familiengeschichte bis zu einem Krimi (der für mich ganz schön überzogen daherkommt).

Fast schon liebevoll zeichnet der Autor Stefan Heuer die Charaktere der beiden Protagonisten. Von der Ferne beides Verlierertypen, die sich aber im Leben gut eingerichtet haben. Beide eng verbunden mit ihren Familien, die ihre Eigenheiten (wie Rolfs Vorliebe für gewagte Farbkombinationen in der Kleidung) nicht nur tolerieren, sondern vorbehaltlos akzeptieren und die Jungs nehmen wie sie sind.

Wenn ich Frank und Rolf auf der Straße treffen würde, würde ich sie wahrscheinlich kaum wahrnehmen oder belächeln und einige ihrer (zur Schau getragenen) Verhaltensweisen und Einstellungen kann ich nicht teilen, aber Stefan Heuer hat es geschafft, dass sie mir sogar ein bisschen ans Herz gewachsen sind. Es lohnt eben immer ein zweiter Blick. Den gewährt mir der Autor und darüber bin ich froh. Denn im Grunde geht es vor allem um Freundschaft, Loyalität und Vertrauen und nicht um Äußerlichkeiten.

Für mich ein Blick in eine fremde Welt vor meiner Haustür, den ich grinsend und kopfschüttelnd genossen habe. Ein Buch für Männer, von denen sich sicher viele in Frank und Rolf wiederfinden werden, aber auch für Frauen, die ein paar Exemplare der Spezies „Mann“ besser kennenlernen möchten (Klischees sind im Buch und in dieser Rezension inbegriffen).

Stefan Heuer: Katzen im Sack.
elifverlag, September 2017.
264 Seiten, Taschenbuch, 14,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.

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