Herbst an der Côte d’Azur. Nur noch wenige Touristen finden den Weg in das Städtchen Le Lavandou, die Einheimischen sind wieder unter sich. Leon Ritter – Rechtsmediziner und halber Franzose – freut sich auf die ruhige Zeit, in der er öfter in seinem Stammbistro sitzen oder Boule spielen kann. Schließlich war das einer der Gründe, warum er die Frankfurter Universitätsklinik verlassen und eine Stelle in der südfranzösischen Provinz angenommen hat. Mehr Zeit mit seiner Lebensgefährtin Isabelle Morell zu verbringen, die stellvertretende Polizeichefin im Ort ist, hat natürlich auch seinen Reiz.
Doch dann meldet Robert Bonnet seine Tochter Françoise als vermisst. Bonnet hat Pierre Roussel, den Freund seiner Tochter, in Verdacht, einen jungen Mann, der mit einer Autoshow im Ort Station macht und schon öfter in Konflikt mit dem Gesetz war. Isabell nimmt sich mit einem Kollegen der Sache an, findet aber zunächst keine Ansätze für eine Ermittlung.
In der Zwischenzeit stößt die junge Psychologin Claire Leblanc zur Polizei, um in der Dienststelle „strukturelle Verbesserungen bei der Kommunikation“ anzustoßen. Die Beamten stöhnen. Für so etwas Abgehobenes will sich niemand Zeit nehmen. Es funktioniert doch alles gut. Und so erhält Claire in der ersten Besprechung gleich einen gewaltigen Dämpfer. Leon, der ebenfalls anwesend ist, findet Claire sympathisch und versucht, sie wiederaufzubauen. Und vielleicht ist da sogar ein wenig mehr als Sympathie.
Als mitten auf der Promenade ein blutiger Fuß auftaucht, nimmt der Fall Fahrt auf. Leon stellt fest, dass er bei lebendigem Leib abgetrennt wurde. Dann finden Jogger das Auto, mit dem Françoise zuletzt unterwegs war – mit eingeschlagener Scheibe und Blutspritzern. Es ist auf Pierre Roussel zugelassen. Endlich eine Spur.
Bis der Fall endgültig gelöst ist, wird es noch weitere Opfer und Verwicklungen geben. Junge Frauen verschwinden, mehrere Verdächtige kommen ins Spiel. Leon ist oft anderer Meinung als die Polizei, gerät sogar selbst in deren Schusslinie. Der Autor Remy Eyssen zieht die Spannungsschraube bis zum Ende an und schreckt auch vor grausamen Szenen nicht zurück.
„Mörderisches Lavandou“ ist der 5. Leon-Ritter-Krimi von Remy Eyssen und der erste, den ich – neugierig geworden durch viele positive Meinungen zu den ersten vier Bänden – gelesen habe. Eine Vorgeschichte habe ich nicht vermisst. Man kann den Krimi gut verstehen, auch wenn man die ersten vier Bücher nicht kennt. Allerdings kamen mir trotzdem einige Figuren irgendwie bekannt vor, denn sie sind mir in anderen Kriminalromanen (natürlich mit anderen Namen und in anderer Umgebung) schon so ähnlich begegnet: der Gerichtsmediziner, der alles besser weiß und die Fälle auch mal ohne Polizei löst, der ehrgeizige Polizeichef, der in der Öffentlichkeit immer gut dastehen will und nach Höherem strebt, der Macho-Polizist, der gerne mal über das Ziel hinausschießt und dem Polizeichef in den Hintern kriecht und noch ein paar mehr. Manche wirken wie Karikaturen.
Das südfranzösische Ambiente und die Lebensart sind schön eingefangen und da ich im vergangenen Jahr in Le Lavandou war, konnte ich mir alles gut vorstellen. Ein paar aktuelle Bezüge, zum Beispiel zur Fremdenfeindlichkeit, hat der Autor gekonnt eingebaut. Allerdings bleibt er auch hier – wie bei den Figuren – eher an der Oberfläche.
Insgesamt ist „Mörderisches Lavandou“ ein netter, flüssig lesbarer Krimi für Zwischendurch oder für den Urlaub mit einer klaren Rollenverteilung und eher wenig Überraschungen.
Remy Eyssen: Mörderisches Lavandou.
Ullstein, Mai 2019.
496 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.