Die Menschen waren verloren und einsam – deswegen schufen sie, ihrem inneren Drang zu schöpfen und echte Freunde zu finden, Kunstwesen, denen sie vertrauen, die sie lieben konnten. Natürlich trauten sie auch diesen, die ihnen immer ähnlicher wurden, nicht lange. Die Menschen konnten so sehr hassen, wie sie lieben konnten und sie fürchteten, was sie nicht verstanden. Ein verheerender Feuersturm tötete die meisten von ihnen, die Maschinen, die Androiden, blieben zurück.
Dies ist die Geschichten einer Schicksals-Gemeinschaft – Giovanni, ein alter Androide, der sich in den großen Wald zurückzog, dort ein Baumhaus errichtete und einen Pflegejungen, einen Menschen zu sich nahm und aufzog. Victor, so der Name des Jungen, hat dann vom nah gelegenen Schrottplatz einen defekten Saugroboter sowie einen Krankenschwester-Roboter besorgt, sie repariert, und ein wenig verbessert. Seitdem sind die Beiden, einander immer ein wenig aufziehend – auch Victor wird ordentlich auf die Schippe genommen, insbesondere seine a-Sexualität hat es der Schwester angetan – an der Seite des Jungen, wenn er auf dem Schrottplatz nach neuen Platinen und sonstigem nützlichem Überbleibseln sucht.
Eines Tages findet er, tief vergraben in einem Haufen ausgemusterter Roboter, den kaputter Androiden Tom. Als er diesen wieder instandsetzt, ahnt er nicht, dass Tom und sein Ziehvater eine gemeinsame Vergangenheit haben – Giovanni kehrt zwangsweise an den Ort zurück, dem er einst entfloh, einem Ort, der für ihn das Ende bedeuten könnte – wenn er nicht, von einem mutigen Jungen und dessen Begleitern gerettet wird. Doch haben diese überhaupt eine Chance?
Besondere Bücher
T. J. Klune schreibt andere, ich möchte fast sagen besondere Bücher. Dies war bereits bei „Mr. Parnassus´ Heim für magisch Begabte“ und „Das unglaubliche Leben des Wallace Price“ (dt. Heyne) der Fall und dies gilt noch in weit höherem Masse für den vorliegenden Roman.
Das Buch ist ein leises, ein stilles, aber ein ergreifendes Werk in und mit dem sich der Autor so seine Gedanken über uns Menschen macht. Einsam sind wir, die Fähigkeit richtig, tiefgründig zu kommunizieren haben wir verloren, dabei unsere Geduld, unser Vertrauen und Zuversicht gleich mit an der Garderobe abgegeben.
Klune hält uns hier einen Spiegel vor, der, das muss ich sagen, durchaus ein realitätsnahes Bild zeigt. Dabei gelingt dem Verfasser aber der Spagat zwischen nachdenklich, berührend und lustig. Gerade die beiden vorlauten Roboter in Diensten unseres Vic lockern die eigentlich dramatische Handlung auf, sorgen für Humor abseits der brachialen Holzhammer-Methode und für Zuversicht. Das sind zwar Kunstwesen – dasselbe gilt für den aufopfernd erziehenden Gio -, aber diese zeigen Charakterzüge, die man sich bei den denkenden, fühlenden Menschen oftmals ausgeprägter wünschen würde. Da geht es auch um Verlässlichkeit, um Opferbereitschaft und um Toleranz.
Ein Roman, der berührt
In der erneut werkgetreuen und einfühlsamen Übersetzung von Michael Pfingstl erwartet die Leserin respektive den Leser dieses Mal ein Roman, der auch seine Spannungsmomente, seine Action für uns bereithält, der dramatisch ist, aber auch, nein in erster Linie, berührt. Wie gesagt, ein leises Buch, ein Buch, das uns innerlich anspricht, das uns bei der Lektüre bereichert, ohne den erhobenen Zeigefinger zu zeigen – ein Buch, für das man sich Zeit nehmen sollte, um es auf sich wirken zu lassen und nachzudenken – es lohnt sich!
T. J. Klune: Die unerhörte Reise der Familie Lawson
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michael Pfingstl
Heyne, Mai 2023
475 Seiten, Taschenbuch, Euro 16,00
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.