Sally Nicholls: Wünsche sind für Versager

Nicholls_25083_MR.indd„Manchmal denken Leute, sie hätten mich liebt, aber nur, bis sie herausfinden, was für ein Monster ich in Wirklichkeit bin.“

Olivia ist elf Jahre alt, als sie zu den Iveys zieht, ihrem sechzehnten Zuhause. Es hält das Mädchen nie lange an einem Platz, denn Olivia ist – davon ist sie selbst überzeugt – schon böse zur Welt gekommen. Immer wenn sich nach ein paar Wochen dieses böse Ich zeigt, haben all die Pflege- und Adoptionsfamilien die Nase schnell voll von Olivia und wollen sie schnell wieder loswerden. Dabei möchte Olivia doch eigentlich nur geliebt werden und den anderen gefallen. Sie gibt sich redlich Mühe, ein nettes Kind zu sein, die Vergangenheit steht ihr allzu oft dabei im Weg. Und im Haus der Iveys scheint es zudem auch noch zu spuken! Olivia kann das Schreien von Babys hören, die nicht da sind, und hört schon bald von der Geschichte der Kindsmörderin Amelia, die einst im Haus der Iveys gelebt haben soll.

Ab diesem Moment geht einiges schief. Dabei hatte es bei den Iveys für Olivia eigentlich gut angefangen. Zur Familie gehört der Vater, sein 11-jähriger Sohn, die 8-jährige Tochter und ein fast erwachsenes, ebenfalls in Pflege lebendes Mädchen mit ihrem Säugling. Besonders zu den jüngeren Kindern hat Olivia trotz ihrer Kratzbürstigkeit bald einen Draht gefunden. Mit dem älteren Mädchen versteht sie sich dafür kaum, dabei hat sie selbst doch wohl sehr viel Erfahrung mit Säuglingen! Denn als sie fünf Jahre alt war, musste sie sich nicht nur um ihre 3-jährige Schwester, sondern auch um den winzigen Baby-Bruder kümmern, der mit seinem ständigen Schreien die Mutter in Rage versetzte.

Je weiter man liest, desto schockierender entfaltet sich die Geschichte. Obwohl die Protagonistin ein Kind ist, ist „Wünsche sind für Versager“ weder Kinder- noch Jugendbuch. Es hilft vielleicht ein bisschen dabei, traumatisierte Kinder zu verstehen und könnte für Erwachsene interessant sein, die in entsprechenden Berufsfeldern pädagogisch oder therapeutisch tätig sind oder Pflege- bzw. Adoptivkinder bei sich aufgenommen haben. Olivia ist ein Paradebeispiel des traumatisierten Kindes, ohne dass die talentierte Autorin dabei ins Klischee verfällt. Denn Traumata sind nie klischeehaft, sondern stets etwas sehr Persönliches. Der Roman umfasst in seiner Kürze Olivias komplettes Leben, wobei sie sich verständlicherweise am Anfang unklar erinnert. Während sie die Iveys kennenlernt und bei ihnen zu leben beginnt, wagt sie den Rückblick auf ihre übrigen 15 Zuhause und stellt die jeweiligen Familien mit ihren Eigenheiten vor. Sie beginnt dabei in der nahen Vergangenheit und arbeitet sich nach hinten vor. Das ist selten verwirrend, oft weiß man schon sehr genau, wo sich Olivia gerade befindet. Nur wie alt sie zum jeweiligen Zeitpunkt war, könnte etwas deutlicher in den Mittelpunkt gestellt werden.

Ein kleiner Geheimtipp und ein sehr schockierendes, in Erinnerung bleibendes Buch.

Sally Nicholls: Wünsche sind für Versager.
Hanser, Februar 2016.
224 Seiten, Taschenbuch, 15,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

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