Vor 10 Jahren fand Hannah ihre beste Freundin April tot im gemeinsamen Wohnzimmers des Colleges in Oxford. Damals war sie sicher, den Mörder noch gesehen zu haben und er wurde auch verurteilt. Jetzt ist er im Gefängnis gestorben, hat bis zuletzt seine Unschuld beteuert und alles kocht wieder hoch.
Vielleicht ist es ihre eigene Schwangerschaft, vielleicht ist es auch etwas anderes, aber zum ersten Mal seit Jahren rumort der Fall wieder in Hannah. Sie denkt nach über das, was damals geschah, was sie gesehen und gewusst hat. Und sie fragt sich zum ersten Mal, ob es möglich wäre, dass sie sich damals geirrt hat.
„College“ ist ein von Anfang bis Ende spannender Roman. Ruth Ware hat ihn geschickt aufgeteilt in „Davor“ und „Danach“ Kapitel, also in Kapitel, in denen die Collegezeit erzählt wird und Kapitel über Hannahs jetziges Leben. Es ist ein Roman zum mitraten und miträtseln, nahezu jeder der Beteiligten ist irgendwann mal verdächtig und manchmal war ich nicht sicher, ob es nicht Hannah selbst war.
Das hat die Spannung aufrecht erhalten und mir jede Menge Spaß gebracht, obwohl ich zugeben muss, dass ich immer noch schockiert bin, wenn ich Romane lese, in denen in RÜCKBLICKEN Smartphones benutzt werden. Die gibt es doch noch gar nicht so lange. Ich mochte Hannah, weil sie sich in den Fall festgebissen hat, ohne dabei hysterisch rüberzukommen, auch wenn sie das selbst manchmal glaubte. Hannah selbst hat ihr Leben in „Davor“ und „Danach“ eingeteilt, wie die Autorin die Kapitel, denn nach dem Mord war nichts mehr wie vorher.
Überraschendes Ende
Die unbeschwerte Hannah, die Studentin, die sich den Platz im Elite-College hart erkämpft hatte und bei ihrer Freundin über deren leichtherzigen Umgang mit dem Leben nur staunen konnte, die gab es nach dem Mord nicht mehr. Dafür gab es die Hannah, die Entscheidungen treffen konnte, die auch dann nicht lockerließ, als es begann wehzutun und deren Gerechtigkeitssinn es einfach nicht zulassen wollte, dass ein Unschuldiger bezichtigt wurde, nur weil sie ihn nicht leiden konnte. Wenn er denn unschuldig wäre, wollte sie das ans Licht bringen, auch wenn das alles in Frage stellte, was sie im Leben erreicht hatte. Das Ende war dann überraschend.
Wie immer bei Ruth Ware geht es trotz Mord eher unblutig zu. Es geht um die Psyche der Beteiligten, darum, ob sie fähig wären zu morden und was sie dazu bringen würde. Und wie ihr Umfeld dazu beiträgt. Hochspannend ist es trotzdem.
Ruth Ware: Das College. In der Nacht kommt der Tod.
Aus dem Englischen übersetzt von Susanne Goga-Klinkenberg.
dtv, Dezember 2022.
464 Seiten, Paperback, 16,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.