Olivia Atwater: True Crown: Die Lady und der Lord Magier

Theodore Ettings ist so ganz anders, als man sich eine englische Adelige vorstellt. Ja, natürlich ist sie aus gutem Hause, weiß sich zu benehmen, doch sie ist – anders. Seitdem ein Elf ihr im Kindesalter die halbe Seele gestohlen hat, kennt sie weder Angst noch Scham, aber auch Freude.

Zusammen mit ihrer Cousine reist sie als Debutantin nach London. Es gilt, natürlich vornehmlich für eben jene Cousine, einen Ehemann in der fast abgelaufenen Ballsaison zu finden – und sollte ein Mann für Dora abfallen, wäre das die Kerze auf dem Kuchen.

Kaum in London angekommen, macht Dora, die von den adeligen Matronen geschnitten, ja gemieden wird, die Bekanntschaft des Hofzauberers. Ein Mann, der bei all seinen Verdiensten, eines nicht ist – ein angepasster, in den besseren Kreisen etablierter Gentleman.

Zusammen kommen sie einer Seuche auf die Spur – Kinder aus den Armenhäusern schlafen ein und wachen nie wieder auf. Die Spur führt ins Reich der Fearies zu einem Elfen, den Dora nur zu gut kennt …

Regency Romance, so nennt man die Spielart, die uns Olivia Atwater hier kredenzt.

Eigentlich bin ich als älterer Mann nicht wirklich die Zielgruppe derartiger Romane, die geschickt Romantik, die Darstellung einer vergangenen Ära und ein klein wenig Magie miteinander verknüpfen. Dennoch konnte mich vorliegender Roman – der Auftakt einer kleinen Reihe von entsprechenden Werken mit unterschiedlichen Protagonisten, durchaus unterhalten.

Als übernatürliches Element werden die Elfen rekrutiert, dazu gesellt sich ein Magier und das England der vorindustriellen Zeit als Kulisse. Sprich, es gibt rauschende Bälle, Tanzkarten, die gefüllt werden sollten, große Roben und jede Menge klopfende Herzen.

Sein Gepräge aber erhält der Roman durch seine Hauptfigur – eben jene Dora, eine genauso muntere, wie selbstbewusste junge Frau, die herzerfrischend unkonventionell ihren eigenen Weg sucht. Ebenfalls unerwartet war, dass die Verfasserin ihre Augen auch vor den weniger schönen Seiten der Ära nicht verschloss – sprich, die sozialen Missstände werden ebenso angesprochen wie die Armut und Perspektivlosigkeit gerade der elternlosen Kinder.

Neben der großen Frage, wie – nicht etwa ob – Dora ihren Herzallerliebsten letztlich zum Antrag bewegt, geht es aber auch inhaltlich durchaus kurzweilig und spannend zu. Die Auflösung der Seuche, die Begegnung mit den intriganten Elfen, die Animositäten ihrer Tante und nicht zuletzt die realitätsnahe Darstellung der wenigen Perspektiven, die eine adelige Frau in dieser Gesellschaft hat, nicht in die Armut abzurutschen, machen den Plot interessant.

So ist dies ein vom Verlag mit Rundumfarbschnitt versehener Young Adult Roman, der sich vornehmlich an ein weibliches Publikum richtet, der aber auch allen anderen Leserinnen und Lesern ein munteres Abenteuer voller temporeicher Wendungen ohne zu viel Tiefgang bietet.

Olivia Atwater: True Crown: Die Lady und der Lord Magier.
Aus dem kanadischen Englisch übersetzt von Doris Attwood.
cbj, Dezember 2022.
350 Seiten, gebundene Ausgabe, 19,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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