Robert Galbraith: Böses Blut

1195 Seiten – und keine davon langweilig. Und das, obwohl doch manch eine Szene, manch ein Handlungsstrang redundant zu sein scheint; ja auch bei J.K. Rowling, die die Reihe um den Detektiv Cormoran Strike unter dem Pseudonym Robert Galbraith schreibt. „Böses Blut“ ist der fünfte Band dieser Reihe, die auch eine Serie ist, denn auch wenn man jeden Band für sich lesen kann, nimmt doch vieles in der Handlung Bezug auf frühere Geschehnisse, entwickeln sich die Protagonisten von Band zu Band weiter.

Der aktuelle Fall von Cormoran Strike und seiner Partnerin Robin Ellacott ist eigentlich ein gerade eben nicht aktueller. Anna Phipps engagiert sie, um nach dem Verbleib ihrer vor 40 Jahren verschwundenen Mutter zu suchen. Die Ärztin Margot Bamborough verschwand 1974 auf dem Weg aus ihrer Praxis zu einem Treffen mit ihrer besten Freundin. Nie wurde geklärt, was mit ihr geschah. Verdächtigt wurde ein zu dieser Zeit gesuchter und später überführter Serienkiller, der unter bestialischen Umständen Frauen entführte, folterte und tötete. Doch er hatte nie zugegeben, auch Margot Bamborough getötet zu haben.

Die damaligen Untersuchungen wurden von einem Kommissar geleitet, der aufgrund einer Krankheit immer weniger zurechnungsfähig wurde und dessen Aufzeichnungen mehr Rätsel als Erhellendes aufweisen. Insbesondere hat er offensichtlich versucht, den Fall mit Hilfe von Astrologie zu lösen. Cormoran und Robin verfolgen die alten Spuren, befragen die damaligen Zeugen und hoffen auf neue Fährten, während sie parallel noch weitere Fälle bearbeiten, denn ihre Detektei wird immer erfolgreicher, auch dank der von ihnen in der Vergangenheit gelösten Fälle (s. die vorherigen Bände).

Doch beide können sich nicht ausschließlich auf die Fälle konzentrieren. Robin kämpft mit ihrer Scheidung und Cormoran sorgt sich um seine an Krebs erkrankte Tante. Darüber hinaus werden alle beide durch ihre Gefühle füreinander abgelenkt, die sie sich tunlichst nicht eingestehen wollen. Diese Thematik zieht sich bereits durch mehrere Bände, so dass die Leserin hofft, dass es hier bald ein (hoffentlich Happy) End gibt.

Nebenschauplätze sind außerdem die Belästigungen Robins durch einen neuen Mitarbeiter und Cormorans Auseinandersetzung mit seiner alten Liebe Charlotte, die ihn nicht in Ruhe lässt. Diese Nebenhandlungen, die Kämpfe, die die beiden Protagonisten mit sich selbst austragen – Robins immer wiederkehrenden, bei jedem möglichen Fehler neu auftretenden Zweifel, ob Cormoran ihr wirklich vertraut, Cormorans Hadern mit seinen Gefühlen für Charlotte und mit seiner gleichzeitig stetig zunehmenden Zuneigung zu Robin – lenken manchmal von der Krimihandlung ab, bremsen die Spannung aus. Und dass, obwohl ja auch diese Erzählstränge für sich selbst eine eigene, kitzlige Spannung mitbringen. Hinzu kommt manch eine detailverliebte Beschreibung der verschiedenen Settings. Vielleicht hätten es daher statt 1195 auch 800 Seiten getan….

Die Auflösung kam dann sehr überraschend. Es ist für die Leserin unbefriedigend, wenn der Ermittler plötzlich mit Erkenntnissen und Wissen um die Ecke kommt, die sich bei der Lektüre nicht erschlossen hatten. Für die Leser ist es bekanntlich ein größerer Genuss und sorgt für höhere Suspense, wenn sie mehr wissen als die Ermittler und nicht umgekehrt. Ein Manko, dass mich ehrlicherweise auch bei den anderen Bänden ein wenig störte.

Aber dennoch und uneingeschränkt: ein herrlich spannender, fesselnder Roman mit ausgereiften Charakteren bis hinunter zu den zahlreichen Nebenfiguren, vielen spektakulären Plottwists, humorvollen und berührenden Szenen und vor allem einem sehr interessanten Fall. Ich habe den Wälzer in drei Tagen verschlungen, im Gegensatz zum vorherigen Band, der gegenüber diesem hier zurückfällt in der Qualität und der sich recht zäh las.

„Böses Blut“ ist für Liebhaber von dicken Schmökern, für Leser, die es lieben, ganz in die Handlung hineingezogen zu werden, die sich mit den Protagonisten identifizieren, die mitfiebern und mitermitteln, die perfekte Lektüre.

Robert Galbraith: Böses Blut.
Blanvalet, Dezember 2020.
1200 Seiten, Gebundene Ausgabe, 26,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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