Mit 15 mitten in der Pubertät hat man schon Probleme genug. Aber was macht man, wenn in dieser Situation zu allem Überfluss auch noch die Welt zusammenbricht? Mit dieser Frage beschäftigt sich Peter Richters autobiografischer Roman „89/90“. Er erzählt vom Ende der DDR aus der Sicht des jugendlichen Ich-Erzählers und seiner Freunde in Dresden.
Es macht Spaß, diesen Roman zu lesen, weil er auch sprachlich genauso rotzfrech geschrieben ist, wie 15-Jährige Jungs und Mädchen eben sind – nicht nur in der untergehenden DDR –, sodass man zwischendurch immer wieder laut auflacht oder auch leise vor sich hinkichert.
Richter, geboren 1973, erzählt davon, wie peinlich es ist, die 100 Mark Begrüßungsgeld anzunehmen, die nach Öffnung der Grenzen jeder Ossi auf Westbesuch bekam. Er erzählt auch sehr anschaulich, wie jeder Jugendliche anders mit der neu gewonnenen Freiheit umgeht. Manche versuchen, mit illegalen Projekten das schnelle Geld zu machen, andere verweigern sich der allgemeinen Euphorie, trauern den untergehenden kommunistischen Idealen hinterher und ziehen in die damals noch existierende Sowjetunion.
Offenkundiges Problem für alle Beteiligten ist das Machtvakuum, das zwischen Mauerfall im November 89 und Wiedervereinigung im Oktober 90 existiert, als die Polizei offenbar vieles schleifen lässt und die Augen vor den Problemen verschließt.
Diese Situation führt dazu, dass sich Punks, zu denen der Ich-Erzähler gehört, und Neonazis blutige Straßenschlachten liefern.
Und dazu gibt‘s ja immer noch die ganz normalen Sorgen, die jeder Jugendliche auf der ganzen Welt hat. Wie finde ich meine erste Sex-Partnerin, wie kann ich mein Taschengeld aufbessern, und wie schaffe ich es, möglichst ohne größeren Aufwand durch die Schule zu kommen? Ein Wenderoman aus einer ganz neuen und interessanten Jugend-Sicht.
Peter Richter: 89/90.
Luchterhand, März 2015.
416 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.