Wenn ein kultivierter, belesener ehemaliger Buchhändler und ein 18-jähriger ungelernter Hilfsarbeiter aufeinandertreffen, erwartet man eher keine innige Freundschaft zwischen ihnen. Doch genau diese entwickelt sich, als der junge Grégoire, als Hilfskraft in der Küche eines Seniorenheims tätig, dem alten Mann begegnet. Das Zimmer von Monsieur Picquier ist voller Bücher, die er aus seiner Buchhandlung rettete, als er diese schließen musste. Seine Parkinson-Erkrankung macht es ihm unmöglich, noch darin zu lesen. So bittet er Grégoire, ihm vorzulesen.
Auf diese Weise lernt der junge Mann die Welt der Bücher kennen und Monsieur Picquier kämpft für Grégoire, der von manchem Kollegen heftig drangsaliert wird. Die Beiden organisieren schließlich sogar Lesungen für alle Heimbewohner zu Weihnachten, sie feiern gemeinsam Silvester. Und Grégoire lernt eine junge Frau kennen, die ihn in die Liebe einführt.
Nach und nach öffnet sich der alte Herr und erzählt dem Jungen aus seiner Vergangenheit. Als Homosexueller hatte es Monsieur Picquier nicht leicht, seine Eltern verstießen ihn und er hat viel durchgemacht im Laufe der vielen Jahre. Dennoch quält er sich nun am Ende seines Lebens mit dem Gedanken, das wahre Leben den Büchern zuliebe hintangestellt zu haben.
Dem gegenüber steht Grégoires bislang wenig ereignisreiches Leben mit seiner Mutter, einer bescheidenen Näherin.
Schließlich äußert Monsieur Picquier eine große Bitte, die Grégoire einiges abverlangt und sein Leben verändern wird.
All das erzählt Marc Roger in seinem Debütroman mit ruhiger Feder. Es wird reichlich philosophiert, geplaudert, aus Literatur zitiert. Man merkt, dass der Autor eine große Affinität zu Büchern hat. Die Figuren, neben den Protagonisten auch die Heimbewohner und die Mitarbeiter dort, sind mit großem Einfühlungsvermögen gezeichnet, die langsame Entwicklung der Freundschaft zwischen den ungleichen Männern ist nachvollziehbar beschrieben.
Doch war der Roman für meinen Geschmack etwas zu betulich, etwas zu ruhig. Ein wenig mehr Handlung hätte nicht geschadet, hätte meines Erachtens den Zauber der Geschichte nicht getrübt. So war der Roman streckenweise etwas langatmig, um nicht zu sagen langweilig. Darüber konnte auch die fast poetische Sprache nicht ganz hinwegtrösten.
Marc Roger: Die Bücher des Monsieur Picquier.
Aus dem Französischen übersetzt von Ursula Held.
Heyne, Juli 2021.
256 Seiten, Taschenbuch, 10,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.
Das Buch ist für mich alles andere als langweilig! Mit dem voranschreiten der Lektüre in den kürzer werdenden Kapiteln stieg die Spannung und ich konnte die letzten Kapitel der Wanderung nur in einem Schwung durchlesen.
Kein Aktionroman, ohne Frage, weil es eine subtile, eine inwendige Spannung hat , dieses Buch. Es macht Lust darauf, laut zu lesen und ggf. auch die alte Kunst des Vorlesens und Erzählens neu zu aktivieren. Für mich ein Loblied auf Literatur , eine Ideenbörse für weitere Lektüre der zitierten Autoren und ein Loblied auf Menschenfreundlichkeit.
Frank G.Bublitz