Luca Ventura: Bleich wie der Mond

Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt… geht es in dem berühmten Song „Capri-Fischer“ romantisch weiter. Nicht so in dem Roman von Luca Ventura. Als die Nacht hereinbricht, liegt die Leiche des berühmten Mozzarella-Königs Nico Castaldo ebenso bleich wie der Mond in einem Bottich seiner Käserei. Wer wollte dem Aushängeschild und Leading-Man des weltberühmten kampanischen Büffelmozzarellas etwas zuleide tun? Dieser Frage muss das ungleiche Ermittlerduo Enrico Rizzi und Antonia Cirillo im vierten Teil der Romanreihe nachgehen.

Da ist seine über 30 Jahre jüngere Ehefrau Stella, die aus einer egozentrischen Künstlerfamilie stammt und auf den ersten Blick gar nicht zu Nico passen will. Da ist sein Neffe und Nachfolger Bruno, der lieber Masse statt Klasse produziert. Da sind militante Tierschützer, welche die Mozzarella-Fabrik in der Vergangenheit bereits schwer beschädigt haben. Auch diverse Mitarbeiter und enttäuschte Liebschaften geraten in den Fokus der Ermittler. Immer mehr drängen sich Rizzi und Cirillo ein Verdacht auf: Das Leben des Mozzarella-Moguls war gar nicht so schillernd-perfekt, wie allgemein angenommen.

Ungleiche Ermittler in erfolgreicher Krimireihe

„Never change a winningsystem“, dachte sich der Autor wohl auch beim vierten Band und setzt auf genau jene Zutaten, die seine bisherigen drei Romane der Reihe so beliebt machen. Eine pittoreske Insel, ein spannender Plot mit überraschenden Wendungen und ein ungleiches Ermittlerduo. Zum einen der süditalienische Enrico Rizzi, den seine Kollegin oft etwas „machismo“ und belehrend findet, zum anderen die norditalienische Andrea Cirillo, welche wiederumauf ihren Kollegen etwas unterkühlt-arrogant wirkt. Zum Glück entwickelt der Autor die Beziehung weiter. Man merkt eine langsame Annäherung der beiden Charaktere, die trotz aller Unterschiede füreinander in die Bresche springen und einander gerade wegen ihrer Verschiedenartigkeit zu schätzen lernen. Die Bürokratie Italiens und ein Machtgerangel im Polizeiapparat erschwert dem Ermittlerteam die Aufklärung des Falls. Und zwingt beide dazu, sich über Regeln hinwegzusetzen.

Ebenfalls treu geblieben ist Luca Ventura den gesellschaftskritischen „grünen Themen“, die er in seinen Romanen gekonnt einbindet. In „Mitten im August“ ging es um den Schutz der Weltmeere, in „Bittersüße Zitronen“ um biologische Landwirtschaft und Crowdfunding. Dieser Roman streift das Thema Tierschutz beziehungsweise die teils katastrophalen Haltungsbedingungen in der Milchwirtschaft. Hier hätte der Autor ruhig etwas mehr ins Detail gehen können, auch weniger überzeichnete Charaktere hätten dem Plot an dieser Stelle gutgetan. Nicht jede „militante“ Tierschützerin ist lesbisch, gepierct und verwendet Kraftausdrücke, wie die Rezensentin aus eigener Erfahrung anmerken muss … 

Schöner morden auf Capri

Großartig ist Ventura wie immer darin, die malerische Landschaft Capris und die liebenswerten Eigenschaften seiner Bewohner zu beschreiben. Die einen nennen es aufdringlich und neugierig, die Einheimischen sagen „man kümmert sich um einander.“ Probleme löst man auf Capri beim gemeinsamen Essen im Dialog statt gleich den Anwalt aufeinander zu hetzen. Irgendwie wirken Mord, Vetternwirtschaft und Bürokratiewahnsinn auf Capri einfach schöner als anderswo. Auf der Insel lässt man sich nicht so schnell aus der Fasson bringen. Die Neapolitaner und Capresen – gewohnt im Schatten des Vesuvs in ständiger Gefahr zu leben – lieben das Dolce Vita. Genau das macht die Krimireihe so schön zu lesen.

Auch im vierten Teil bewahrt sich die Romanreihe ihr Suchtpotenzial. Aktuell, überraschend, spannend und das alles vor malerischem Postkartenhintergrund. Kurzum: Eine perfekte Krimilektüre für den Sommerurlaub!

Luca Ventura: Bleich wie der Mond.
Diogenes, Mai 2023.
304 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

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