
Ein wunderbarer Wohlfühlroman, gemacht zum Lesen auf der Terrasse oder auf dem Balkon oder im Urlaub unter dem Sonnenschirm. Der Duft von Croissants, café au lait, frischem Baguette und Käse mit einem schönen Glas Wein … das Treiben in den kleinen Sträßchen und Gassen des Montmartre, die Bistros und Boutiquen, kleinen Buchhandlungen und Flohmärkte, all das wird lebendig beim Lesen und Sich-nach Paris-Träumen. Der dritte dieser Sommerromane von Lilly Martin, alias Anne Stern, spielt diesmal zwar nicht im Quartier Latin, aber den einen oder die andere Bekannte aus den früheren Romanen treffen wir dennoch wieder. Jaobine, die alternde Schauspielerin, die immer einen guten Rat parat hat, oder den Lebkuchenverkäufer, der seine Backwaren mit kleinen philosophischen Weisheiten schmückt und jetzt auch mal ein anderes Quartier beglückt. Im Mittelpunkt steht Aurélie, eine junge Schriftstellerin, die vom Verlag gedrängt wird, einen locker-leichten Liebesroman zu schreiben, am besten mit Pool und so, was so grade en vogue ist und auf fast allen Covern zu finden, doch Aurélie hat eine Schreibblockade.
Wie soll sie über etwas schreiben, was sie selbst nicht kennt? Sie ist nicht verliebt, sie kennt sich damit nicht aus. Was also tun? Dating-App? Blöder Versuch, das ist nichts für sie. Tipps von Freunden? Das ist nicht authentisch genug. Erstmal Abstand vom Thema? Genau! Ihre Schwester in Nizza braucht eh grade ein bisschen moralische Unterstützung. Ein paar Tage am Meer mit den Kindern wären vielleicht ganz schön. Das Problem ist nur: Aurélie hat panische Flugangst! Die Reise mit dem Zug für nur ein paar Tage ist aber viel zu lang. Hm. Da hat Claude, Mathieus Freund und Geschäftspartner die rettende Idee: Mathieu, der smarte Buchhändler, müsste endlich auch mal wieder raus aus einem Schneckenhaus!
Er trauert seit Langem um seine plötzlich verstorbene Frau und vergräbt sich in seinem Schmerz, ohne zu merken, dass vor der Tür seines kleinen gemütlichen Ladens das Leben weitergeht. Aurélie und Mathieu sind Freunde, Mathieu kennt Aurélies Probleme, er möchte ihr gerne helfen, die passende Inspiration für ihren neuen Roman zu finden, also stimmt er zu und begleitet Aurélie an die Côte d’Azur und verbringt mit ihr ein paar wunderbare Tage am Meer. Aurélie ist schon lange in Mathieu verliebt, aber dann hat er Nadia geheiratet und wieder verloren – sie will sich nicht in sein Leben drängen, seine Trauer nicht stören, und Mathieu hat Angst, sich ins Leben zurückzukämpfen und sich noch einmal zu verlieben. Was, wenn es wieder schiefgeht? Aber helfen möchte er Aurélie schon. Da findet er auf dem Flohmarkt ein altes, zerfleddertes Büchlein, eine Art Tagebuch, geschrieben in der Zeit der Résistance von einer Frau, die ihren Liebsten vermisst und nicht weiß, ob sie ihn jemals wiedersehen wird. Ob diese Geschichte Aurélie eine Inspiration sein kann?
Ein schöner leichter Sommerroman, der dennoch nicht oberflächlich nur eine weitere banale Liebesgeschichte erzählt. Flüssig geschrieben, locker erzählt und durchaus auch tiefgründig. Berührend und plastisch und dank des kleinen Büchleins auch wieder ein bisschen geschichtlich. Es ist immer wieder erstaunlich, wie souverän und überzeugend die Historikerin Anne Stern zwischen den Genres wechselt und einen immer wieder mitnimmt. Sei es in ihren hervorragend recherchierten historischen Romanen in Berlin oder Dresden oder eben auch in den leichteren Sommerromanen in Paris, wo sie selbst auch gelebt hat und die Liebe zu dieser schönen Stadt einfließen lässt.
Lily Martin: Sommernächte unter dem Eiffelturm
Rowohlt, Juli 2025
318 Seiten, 14,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.