Anne Freytag: Blaues Wunder

Schein und Abgrund auf offenem Meer

Nach „Lügen, die wir uns erzählen“, das mich mit seiner Zärtlichkeit und schmerzhaften Ehrlichkeit tief berührt hat, schickt Anne Freytag uns diesmal auf offenes Meer – und direkt in die Abgründe hinter makellosen Fassaden. Ganz anders im Ton, aber ebenso brillant.

„Blaues Wunder“ ist kein Wohlfühlroman, auch wenn er sich anfühlt wie Urlaub. Es glitzert, es schmeckt nach Salz und Luxus, doch unter Deck brodelt es:

„Wir sind allein mitten auf dem Meer – wir und der Schein, den wir wahren.“ (S. 17)

An Bord einer 70-Millionen-Euro-Yacht mit exquisiter Küche, Servicepersonal, traumhaften Suiten kreuzen sieben Menschen mit perfekt versteckten Geheimnissen durch ein türkisfarbenes Paradies. Und während das Wasser draußen ruhig bleibt, türmt sich unter der glänzenden Oberfläche alles auf, was man eigentlich verdrängen möchte.

Freytag schreibt so scharf und feinfühlig zugleich, dass die klaustrophobische Spannung bis in die Fingerspitzen prickelt. Sie entblößt ihre Figuren Schicht für Schicht, macht sie stark, zerbrechlich, wütend, verletzlich. Nora, Franziska und Rachel: drei Frauen, jede mit einem eigenen Leuchten, einem eigenen Schatten, jede eine Geschichte wert.

Ich habe dieses Buch geliebt. Für seine leise, aber bohrende Intensität. Für seine psychologische Eleganz. Für die Art, wie es uns zeigt: Jeder trägt eine Maske, sogar mitten im Paradies.

Eine Verfilmung? Wäre ein Traum. Ein Kinosaal voller Salzluft, Sommerhitze, Abgründigkeit.

Ein Muss für alle, die intelligente Spannung, starke Frauenfiguren und psychologische Tiefe schätzen.

Anne Freytag: Blaues Wunder
Kampa Verlag, April 2025
256 Seiten, Hardcover, 24,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Olivia Grove.

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