Lena Schätte: Das Schwarz an den Händen meines Vaters

Lena Schätte (Jahrgang 1993) arbeitete als Krankenschwester in der Psychiatrie. 2014 erschien ihr erster Roman „Ruhrpottliebe“. Am 12. März 2025 veröffentlichte der S. Fischer Verlag mit „Das Schwarz an den Händen meines Vaters“ einen autofiktionalen Roman von ihr.

Die Geschichte einer Familie, die „anders“ ist als andere Familien

In Lena Schättes Geschichte geht es um den Vater, aber auch um seine Tochter und Ich-Erzählerin „Motte“. Und um das Trinken. Mottes Vater ist Arbeiter und Alkoholiker. Aber das ist nichts Besonderes, sondern wie bei allen Männern in der Familie, sagt Mottes Mutter. Die Mutter arbeitet in der Wäscherei eines Hotels und versteckt Geld, um notfalls vor dem betrunkenen Ehemann flüchten zu können. Irgendwann verliert der Vater seinen Job. Wegen der Trinkerei ist er nicht mehr arbeitsfähig. Die Eltern übernehmen eine Raststätte an der Autobahn.

Motte hat zwei Geschwister, eine Schwester und einen Bruder. Der Bruder wird Erzieher und kümmert sich um Motte, die früh zu trinken beginnt. Ihr Freund trinkt ebenfalls. Motte arbeitet als Reinigungskraft in einem Krankenhaus.

„Von Anfang an habe ich kein Interesse daran, nur ein bisschen zu trinken. Ich sitze nicht mit Freundinnen zusammen, um ein oder zwei Vino aus hübschen Gläsern zu trinken. Von Anfang an möchte ich besoffen sein.“  (S. 42)

Lena Schätte erzählt in Episoden, die hin und her springen zwischen Kindertagen und ihrem Erwachsenenleben. Es gibt schöne und schreckliche Erlebnisse mit ihrem Vater, der betrunken nicht gewalttätig wird, sondern traurig. Motte hat eine innige Beziehung zu ihm. Sie hängt sehr an ihm. Und der Vater an ihr. Als der Vater unheilbar an Krebs erkrankt und stirbt, sortiert sich die Familie neu und Motte muss „erwachsen“ werden.

Alkoholsucht ist eine menschliche und soziale Katastrophe

Lena Schättes „Das Schwarz an den Händen meines Vaters“ ist ein starker Roman. Und auch wenn ich als Leserin in letzter Zeit etwas übersättigt bin von der ganzen autofiktionalen Literatur, so überzeugt mich Schättes Geschichte vollkommen. Es ist gut, dass sie sie in kleinen Häppchen serviert, d.h. in kurzen, knappen 64 Kapiteln auf nur 192 Seiten. Alles andere wäre extrem schwere Kost geworden. So aber prägen sich die Episoden tief ein. Das, was für Mottes Familie Alltag ist, kommt dem Außenstehenden schwer erträglich vor. Der Konsum von Alkohol ist in Deutschland jedoch weitestgehend gesellschaftlich legitimiert. Zum Glück nimmt er in den letzten Jahren (vor allem bei jungen Leuten) wieder etwas ab. Aber für die Familien, die mit suchtkranken Menschen leben müssen, entfaltet sich das ganze zerstörerische Potenzial der Droge. Manchmal von einer Generation auf die nächste. Von dieser menschlichen Katastrophe erzählt Lena Schätte aufs Eindrücklichste:

„Ich verliebe mich in einen trinkenden Mann, weil es wie zu Hause ist. Ich kenne das. Sie haben mir das Laufen und das Sprechen beigebracht und dass man bei Grün geht und bei Rot steht. Sie haben mir beigebracht, dass das, was zu Hause passiert, zu Hause bleibt. Wie man Erbrochenes schnell aus den Fugen und von den Autositzen bekommt, wie man lügt, sodass es alle glauben …“ (S. 92)

„Das Schwarz an den Händen meines Vaters“ ist eine ernste und wuchtige Geschichte über eine Familie, die am Abgrund balanciert. Überzeugend!

Lena Schätte: Das Schwarz an den Händen meines Vaters.
S. Fischer Verlag, 12. März 2025.
192 Seiten, gebundene Ausgabe, 24,- Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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