Lena Johannson: Aufgeben können die anderen

„Wer aufgibt, hat schon verloren“, dieser Satz wird schon früh zum Leitmotiv der jungen Alice, die als junges Mädchen nicht nur ihre Leidenschaft fürs Schwimmen entdeckt. Alice wächst mit ihren Geschwistern in Nantes auf als Tochter eines gut gestellten Lebensmittelhändlers, schwimmen bringt ihr Joseph bei, mit dem sie bald auch mehr als die Leidenschaft für den Sport teilt. Als Joseph, der auf keinen Fall den Friseursalon der Eltern übernehmen möchte, eine Stelle als kaufmännischer Angestellter in England annimmt, bewirbt auch Alice sich auf eine Stelle als Hauslehrerin. Ihr Englisch ist zu diesem Zeitpunkt zwar noch recht holprig, die Stelle bekommt sie dennoch. Mit der Familie ist sie viel auf Reisen, lernt andere Länder und Kulturen kennen, ihr Englisch wird makellos und ihre Liebe zum Sport, sei es Schwimmen, Hockey oder Rudern, hilft ihr immer wieder, Kraft zu tanken. In England, wo man um 1900 bereits fortschrittlicher war als in Frankreich, erfährt sie auch, dass Frauen nicht „im Geheimen“ Sport treiben müssen, sondern es durchaus Vereine gibt, die Frauen unterstützen. Dort macht sie erste Bekanntschaft mit dem Feminismus. Mit Joseph kehrt Alice 1907 nach Nantes zurück, aber ihre gemeinsame Zukunft währt nur kurz. Joseph erkrankt schwer und verstirbt wenig später. Alice bleibt nicht in Nantes, alleine möchte sie da nicht mehr leben. Sie übersiedelt nach Paris, wo sie sich sehr intensiv den Belangen des Frauensports widmet. Sie findet Unterstützer, muss aber immer wieder auch gegen Widerstände ankämpfen und Rückschläge hinnehmen.

Wir begleiten Alice Milliat in diesem Roman von 1898 bis 1922, als junges Mädchen, junge Frau und viel zu früh auch als Witwe, die fortan unverheiratet bleibt. Ihr persönliches Interesse am Sport, ihr Engagement für die Frauen im Sport, machen sie bald zur Stimme der weiblichen Athleten. Und das nicht nur in Frankreich. Durch ihr Engagement, ihr zähes Dranbleiben, ihre Beharrlichkeit, aber auch durch ihren Charme und die Weltgewandtheit, die sich in der Zeit in England erworben hat, erreicht sie schließlich, dass auch Frauen sportliche Wettkämpfe austragen können. Weil die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1920 nicht gestattet worden war, organisieren Alice und ihre Mitstreiter 1921 die Ersten Olympischen Frauenspiele.

Wir lernen hier nicht nur eine engagierte, zielstrebige junge Frau kennen, die – auf Kosten ihres Privatlebens – für ihre Vorstellungen kämpft und niemals aufgibt, wir erfahren auch eine ganze Menge über die Geschichte des Frauensports zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Historisch fundiert, gut erzählt und durchaus fesselnd. Eine geschickte Mischung aus Fakten und Fiktion, Geschichte und Roman. Der Auftakt einer Serie um „Sternstunden der Frauen“. Gelungen.

Lena Johannson: Aufgeben können die anderen
Sternstunden der Frauen
Aufbau Verlage, Oktober 2025
381 Seiten, Paperback, 15,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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