Leser:innen fragen sich ja oft, wieviel vom Autor bzw. der Autorin in der Geschichte steckt, und das besonders bei in Ich-Form verfassten Romanen. Hier ist es aber eine zu persönliche Frage, als dass man sie der Autorin stellen könnte. Jedoch hatte ich beim Lesen dieses Buchs stets das Gefühl, hier erzählt jemand seine eigene Geschichte.
Das mag an der gelungenen Umsetzung liegen oder eben vielleicht doch daran, dass es selbst erlebt ist. Lea Streisand, von deren im vergangenen Jahr erschienenen Roman „Hufeland, Ecke Bötzow“ ich absolut begeistert war, beschreibt hier den dornigen Weg einer jungen Frau von der Erkenntnis, dass sie keine eigenen Kinder wird haben können bis zum Ausgang ihres Antrags auf Adoption.
In einem niemals lamentierenden, oft vielmehr sehr humorvollen, sich selbst auf die Schippe nehmenden Ton folgen wir Kathi und ihrem Mann durch diese sich lange hinziehenden Monate. Parallel dazu erleidet Kathis beste Freundin eine Fehlgeburt, wird wieder schwanger und so können beide Frauen auf ganz unterschiedliche Weise die Erwartung der Mutterschaft erleben.
Dass dabei das eine oder andere Klischee bedient wird, wenn Kathi und David beim Jugendamt ihren Adoptionsantrag einreichen und die dortige Sachbearbeiterin als ein rechtes Abziehbild einer Beamtin dargestellt wird, stört bei der Lektüre nicht, da es sehr amüsant und keineswegs urteilend geschieht. Dass der Weg durch die vielen Fragen, Untersuchungen und insbesondere die den Betroffenen unendlich lang vorkommende Wartezeit steinig und belastend ist, das kann sich jeder vorstellen. All jene, die diesen Prozess selbst durchlaufen haben, mögen sich in diesen Schilderungen, im Leid und dem Umgang damit, wiederfinden.
Ab und zu allerdings schweift mir der Roman zu sehr von der Haupthandlung ab, gibt es Szenen, die den Plot nicht voranbringen. Vor allem wenn es lange und recht sinnlose Gespräche zwischen den Freundinnen und ihrer Clique gibt, wird es etwas zäh. Vermutlich einfach deswegen, weil man gerne den Fortgang der Geschichte kennen möchte. Und natürlich wird es gegen Ende sehr spannend, temporeich und auch sehr berührend.
Eine interessante und zu Herzen gehende Geschichte, leichtfüßig und ohne Pathos erzählt.
Lea Streisand: Hätt‘ ich ein Kind.
Ullstein, März 2022.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.