Kerstin Sgonina: Und wenn wir wieder tanzen

Gutes Timing könnte man es nennen, dass dieser Roman fast genau am 60. Jahrestag der Hamburger Sturmflut erscheint. Beginnt er doch genau an diesem Tag, an dem die Protagonistin Marie, die in einer Gartenhütte haust, ihr ganzes Hab und Gut durch diese Flut verliert. Und das an einem Tag, der ihr auch schon an ihrem Arbeitsplatz als Zimmermädchen im vornehmen Hotel Atlantic Ärger gebracht hatte.

Ohne Dach über dem Kopf wird Marie nun bei Effie von Tieck einquartiert, einer alten Dame, die spröde, launisch und vergrämt zu sein scheint. Erst nach und nach kommen die beiden Frauen einander näher und Marie erfährt, dass auch Effie durch die Sturmflut einen großen Verlust erfuhr, wurde doch ihr Tanzlokal davon in Mitleidenschaft gezogen.

Während wir auf der einen Erzählebene nun verfolgen können, wie Marie das Tanzlokal wieder auf Vordermann bringt und dabei von einem netten jungen Mann Unterstützung erhält, erfahren wir auf der zweiten, im Rückblick erzählten Ebene, die Geschichte von Effie, von ihrer Ehe und ihrer Tochter Helly.  Dieser Teil ist durchaus spannend, denn Effie wird von ihrem Ehemann gequält, muss fliehen und sich auf eigenen Füßen behaupten.

Hingegen ist die Geschichte um Marie wesentlich unspektakulärer, um nicht zu sagen dröge. Sie ist nett und unterhält auch, aber sie ist leider auch reichlich trivial und plätschert seicht dahin, mit wenige überraschenden Charakteren. Die Vorgesetzte Maries im Hotel ist ebenso ein Abziehbild wie die gutmütige Wirtin in der Kneipe gegenüber des Tanzlokals.

Die Autorin, deren im vergangenen Jahr erschienener Roman mir deutlich besser gefiel, reißt viele Themen an, wie die Gewalt gegen Frauen, die politische Situation in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg, die Schwierigkeiten von berufstätigen und selbständigen Frauen in den 30er und 40er Jahren und vieles mehr. Doch wie bei einem nur oberflächlich eingeritzten Linolschnitt fehlt der Tiefgang, wird keines dieser Themen vertieft oder zu Ende verfolgt, mit Substanz gefüllt.

Fazit: ein netter Unterhaltungsroman um eine sympathische Protagonistin, dem es aber an Spannung mangelt.

Kerstin Sgonina: Und wenn wir wieder tanzen.
Wunderlich, Februar 2022.
464 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.