„Die Ukraine sei das einzige Land, das die anderen Europäer daran erinnere, was Würde und Freiheit bedeuten, und dessen Menschen bereit seien, dafür zu sterben, während die Europäer in Brüssel über die Form von Tomaten debattieren.“ (S. 92). Diesen Satz zitiert Katrin Eigendorf im Buch aus ihrem eigenen Tagebuch unter dem Datum 12. April 2014 und sie lässt hier einen Polen sprechen, der dies damals zu einem Ukrainer sagte.
Bereits 2014 hat die bekannte Reporterin von ZDF und anderen Formaten aus der Ukraine berichtet, bereits damals, als Russland die Krim annektierte. Und in diesem Jahr 2022 war sie wieder dort, reiste nach Kiew am Tag des Beginns des russischen Angriffs. Ihre seither gesammelten Eindrücke fasst sie jetzt im vorliegenden Buch zusammen, lässt Ukrainerinnen und Ukrainer zu Wort kommen und schildert auch ihre eigenen Gefühle beim Anblick der zerstörten Städte und Dörfer. Sie fährt nach Butscha, nach Irpin, nach Odessa, sie spricht mit Soldaten, Zivilisten, mit Flüchtenden und Bleibenden.
Viele der Szenen, die sie beschreibt, sah man im Fernsehen, in den Nachrichten, in denen sie regelmäßig live zugeschaltet wird. Katrin Eigendorf ist eine mehrfach ausgezeichnete Reporterin, Kriegsberichterstatterin trifft es wohl eher. Sie war in Afghanistan, in Syrien und nun also in der Ukraine.
Was sie erzählt, erschüttert, auch wenn man täglich die Bilder und Erlebnisse in all den Sendungen und Berichten schon gesehen, gehört hat. Was sie erzählt, ist informativ, denn sie erläutert Hintergründe, eben auch in Bezug zu den Geschehnissen 2014 und dem, was damals von Seiten der Europäer nicht geschah.
Das Buch ist einerseits eine sehr persönliche Schilderung, andererseits aber auch eine sehr professionelle und dadurch bedingt eine etwas distanziertere. Das kann und muss man verstehen, denn eine Reporterin muss ihre Emotionen außen vor lassen bei ihren nüchternen Berichten für die Nachrichtensendungen im deutschen Fernsehen. Dafür überlässt sie das Erzählen oft den Betroffenen selbst, was sehr viel eindringlicher ist. Dennoch merkt man dem Buch an, dass es recht schnell zusammengeschrieben wurde. Stilistisch ist es kein Highlight, wirkt es in der Tat wie eine Reportage, wie die Abschrift ihrer Fernsehreportagen. Das tut der Bedeutung des Inhalts keinen Abbruch, macht das Buch nicht weniger wichtig, weniger intensiv.
„Immer klarer wird, dass es keine Alternative zu Waffenlieferungen gibt, wenn man die Ukraine vor einer grausamen Kapitulation bewahren will – einer Kapitulation, die vermutlich millionenfache Deportation, Mord, Vergewaltigung und Unterdrückung bedeuten würde.“ (S. 221).
Katrin Eigendorf: Putins Krieg: Wie die Menschen in der Ukraine für unsere Freiheit kämpfen.
S. Fischer, August 2022.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.