Katherine Mansfield: In der Bucht

Die neuseeländisch-britische Schriftstellerin Katherine Mansfield wurde 1888 in Wellington/Neuseeland geboren und starb im Alter von nur 34 Jahren an Tuberkulose in Fontainebleau/Frankreich. Während ihrer schriftstellerischen Schaffensphase hat sie keinen Roman veröffentlicht, sondern ihren Bekanntheitsgrad durch 73 kurze Erzählungen erlangt. „In der Bucht“ ist eine ihrer bekanntesten und längsten Geschichten, die in Neuseeland angesiedelt sind. Der kleine, schmale Erzählband gehört zum Quartett aus Klassikerbänden mit ausschließlich weiblichen Autoren aus dem Verlag Mare.

Katherine Mansfields Vorbild war Anton Čechow, der ihr eigenes Schreiben geprägt hat.

In der Bucht“ spielt in der neuseeländischen Crescentbay. Hier finden sich im Sommer die Familien aus dem bürgerlichen Mittelstand ein und genießen das Meer. Nahe dem Wasser leben auch Stanley und Linda Burnell mit drei Kindern samt Großmutter in ihrem Bungalow.

Von außen betrachtet erwecken die Burnells den Eindruck einer beneidenswerten Familie. Die Familienmitglieder scheinen ihr Leben und die Landschaft, in der sie beheimatet sind, zu genießen. Dem Familienoberhaupt Stanley Burnell gelingt dies gleich eingangs weniger. Er badet morgens im Meer, bevor er sich seinem Arbeitsalltag zuwendet, aber entspannen kann er dabei nicht. Sobald er kurz darauf das Haus verlässt, freut sich die restliche Familie regelrecht. Ein heiteres, unbeschwertes Gefühl breitet sich unter ihnen aus.

Die Diskrepanz zwischen Pflichterfüllung und einem Sehnen nach Freiheit, zwischen Furcht und Genuss, verdeutlicht Mansfield immer wieder in vielen kleinen Alltagsszenen.

Auch philosophische Betrachtungen über den Tod zwischen Enkelin und Großmutter sind ein Thema. Ebenso Lindas Mutterrolle oder Beryls Wunschgedanken. 

Schon in der damaligen Zeit hadern Mansfields Frauengestalten mit der Rolle, die ihnen auferlegt ist.

Das Meer nimmt in dieser Geschichte eine besondere Bedeutung und Gewichtung ein. Das leise Zurückziehen und kurz darauf laute Heranbrausen der Wellen spiegelt sich sublim in den Emotionen der Figuren wider.

Katherine Mansfield zeigt mit dieser Erzählung einen Ausschnitt aus dem gesellschaftlichen Leben Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts auf. Die immer wieder aufflammenden inneren Konflikte der Akteure sind heute so aktuell wie damals.

Katherine Mansfield: In der Bucht.
Übersetzung aus dem Englischen: Nicole Seifert.
Mare, Februar 2025.
128 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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