Karen Sander: Der Sturm: Vergraben

„Vergraben“ ist der Auftakt einer neuen kleinen Krimi-Serie, die wie schon die Trilogie „Der Strand“ an der Ostsee angesiedelt ist, genauer, auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst.

Ein schwerer Sturm lässt ein Stück der Klippen abbrechen, dabei werden die Gebeine zweier Menschen zutage gefördert, die wohl schon länger hier verscharrt gewesen sein müssen. Tom Engelhardt, der erst seit Kurzem auf dem Darß als Ermittler tätig ist, erfährt von älteren Kollegen und Einheimischen, dass es vor vielen Jahren, kurz vor der Wende, hier wohl einen Serientäter gegeben hat, der immer junge Pärchen getötet hat. Sind die beiden vor über 30 Jahren seine Opfer gewesen? Der Täter von damals wurde nie gefasst. Die Mordserie endete mit dem Fall der Mauer.

Tom und sein Team, zu dem er auch wieder die Kryptologin Mascha Krieger vom LKA in Schwerin gewinnen kann, versuchen das Rätsel um den sogenannten „Darß Ripper“ zu lösen und decken dabei so Manches auf, was in Vergessenheit geraten war oder auch schon mal totgeschwiegen wurde. In kurz gehaltenen Kapiteln aus verschiedenen Perspektiven gelingt es der Autorin auch diesmal wieder, einen Spannungsbogen aufzubauen, in dem man als Leser sofort gefangen ist. Der „coldcase“ wie aber auch kleinere Vorkommnisse am Rande der Ermittlungen bringen Tom, Mascha und die anderen im Team durchaus an ihre Grenzen.

Es ist zum Verzweifeln. Und nicht zuletzt genau das macht diesen Krimi so spannend, dass man ihn eigentlich ungern aus der Hand legt. Da die Morde des „Darß Rippers“ noch zu DDR-Zeiten geschahen, erfahren wir zwangsläufig so einiges über die Methoden der Polizei damals, aber auch über Einmischungen der Stasi in Ermittlungen, die unbequem zu werden drohten. Die Gespräche, die Tom und Mascha mit den Menschen führen, die damals entweder in die Ermittlungen eingebunden waren oder mit ihrem Wissen über die Zeit Fakten beitragen oder untermauern können, machen die Geschichte authentisch und spannend.

Man bekommt als Leser ein Gefühl für die Zeit, die Umstände, in denen die Menschen damals gelebt haben. Zum Beispiel, wenn das Ferienheim beschrieben wird, das damals in der Nähe der Küste stand und in dem Jugendliche aus der ganzen DDR im Sommer Freizeiten verbrachten und eben auch Feste feierten, die schon mal ausgeufert sind. Oder dass es eben verboten war, sich noch bei Dunkelheit am Strand aufzuhalten, weil man dann Gefahr lief, von Grenzkontrollen aufgegriffen zu werden und der versuchten Republikflucht verdächtigt werden konnte. Wer die Zeit erlebt hat, weiß, wovon Karen Sander schreibt, wer zu jung ist, der bekommt einen realistischen Eindruck. Aber der Krimi lebt nicht nur von den Verbrechen, die es aufzuklären gilt. Auch die handelnden Personen sind wieder sympathisch und authentisch dargestellt.

Wer die Trilogie „Der Strand“ gelesen hat, wird alte Bekannte treffen, die als sehr heterogenes Team gut zusammengewachsen sind, seit Hauptkommissar Tom Engelhardt sich nach dem Tod seiner Frau hat von Berlin nach Sellnitz versetzen lassen, in der Hoffnung, dort sei das Leben ein bisschen beschaulicher und seine inzwischen fünfjährige Tochter Romy könne auf dem Darß unbeschwerter aufwachsen. Ein Thriller, der mit Spannung besticht, aber genauso auch leise Töne hat, den Ermittlern auch ein Privatleben zugesteht und der mit den eindrücklichen Beschreibungen von Landschaft und Klima auch das Lokalkolorit nicht zu kurz kommen lässt und Lust macht, sich selbst durchaus auch mal im Herbst oder Winter den Wind der Ostsee um die Nase wehen zu lassen.

Alles in allem ein toller Auftakt einer neuen kleinen Serie. Ein Thriller, den ich sehr gerne weiterempfehle. Ich bin schon jetzt gespannt auf Band 2.

Karen Sander: Der Sturm: Vergraben (Bd. 4)
Rowohlt, Januar 2024
372 Seiten, Taschenbuch, 14,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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