Auch im zweiten Teil seiner Bandreihe rund um ein mondänes Hotel an der ligurischen Küste im Italien der 1920er Jahre mixt der britische Autor JP O’Connell einen literarischen Sommercocktail mit den richtigen Zutaten: verbotene Liebschaften aller Art, Fortschritt versus Faschismus, Bilderbuchlandschaften gepaart mit nostalgischem Chic. Plus Frauen, die sich emanzipieren und Männern, denen das zumeist gar nicht passt.
Das Jahrzehnt der 1920er Jahre ist wie geschaffen für spannende Storys voller Sprengstoffpotenzial, da sich die Welt zu dieser Zeit in verschiedene Richtungen entwickelt. Das Beispiel Italien zeigt dies besonders deutlich. Hier machen einerseits mondäne, weltoffene Menschen Urlaub, während sich im Hintergrund seit der Machtübernahme Mussolinis im Jahr 1922 bereits die ersten Schrecken des Faschismus zusammenbrauen. Frauen zelebrieren ihre neue Freiheit rund um Frauenwahlrecht und bejubeln Josephine Baker im Bananenröckchen, während die „Braunhemden“ ihnen nach und nach ihre Besitzansprüche entziehen wollen und sie lieber als Heimchen am Herd sehen. So ist der zweite Teil der „Downton Abbey“-ähnlichen Buchreihe noch spannender und tragischer. Für so manche/n Protagonist/in wartet kein Happy End hinter dem Sonnenuntergang!
Der Fortschritt hält Einzug in den Roaring 20ies
Die Handlung dieses Romans setzt der neuen Sommersaison nach dem Erstling „Hotel Portofino“ ein. Wir schreiben das Jahr 1927. Das Hotel an der ligurischen Küste floriert, was seiner Besitzerin Bella Ainsworth zu verdanken ist. Die geht mit der neuesten Mode, springt auf den gerade entstehenden Wellnesstourismus auf, plant den Bau einer Therme und bietet sogar morgendliche Gymnastikstunden im Hotel an. Sich ihrer Korsetts entledigt, macht Frau plötzlich große sportliche Sprünge, ob zu Lande oder zu Wasser. Ihr Mann Cecil ist nach mehreren Fehltritten ins „eheliche Exil“ nach England verbannt, sodass Bella ihre neue Freiheit genießt – insbesondere die Gesellschaft zu dem italienischen Architekten Marco, der ihrem Hotel zu einer stilvollen Therme verhelfen soll. Doch vor der ligurischen Sonne ziehen gewaltige Schatten auf, als all die Konflikte, die im ersten Band bereits eingeführt wurden, vollends eskalieren.
Cecil, in dubiose Geschäfte mit dem örtlichen Faschisten und Lokalpolitiker Danioni verstrickt, reist unverhofft wieder nach Italien an und mischt sich in alles ein. Sohn Lucian strandet ebenfalls in Bellas Hotel, um seiner unglücklichen Ehe mit Rose zu entfliehen. Das sieht die hübsche Constance – gerade in der Hotelhierarchie befördert – mit gemischten Gefühlen, bahnte sich doch vergangenen Sommer eine zarte Romanze zwischen ihr und Julian an, die jedoch aufgrund der Klassenunterschiede und Constanzes unehelichem Sohn im Keim erstickt wurde. Bellas verwitwete Tochter Alice scheint endlich eine neue Liebe gefunden zu haben, wobei ihr Verehrer einen zwielichtigen Eindruck hinterlässt.
Faschisten, Partisanen, Filmstarlets
Dann überschlagen sich die Ereignisse als Lucians bester Freund Nish durch seine Liebe zu einem Partisanen in anarchistische Machenschaften verstrickt und von der Polizei gesucht wird, während Rose unverhofft anreist „um ihre Ehe zu retten“. Gleichzeitig strandet die extravagante Schauspielerin Claudine durch den Skandal einer Filmset-Affäre bei ihrer Freundin Bella. Als Cecil und Danioni einen Plan aushecken, um Bella ihre Anteile am Hotel abzuluchsen, während gleichzeitig das Gerücht umgeht, dass wichtige Restaurantkritiker in der Nähe seien, steht nichts weniger als die Zukunft des Hotels Portofino auf dem Spiel.
Feiner, britischer Humor
An persönlichen und politischen Konflikten mangelt es nicht im zweiten Teil der Romanreihe. Dank des subtilen Humors des Autors kommt der Plot dennoch stets sommerlich-leicht und angenehm süffisant daher. Allein die Mentalitätsunterschiede zwischen den leidenschaftlichen Italienern und den reservierten Engländern mit ihrer „stiff-upper-lip“-Einstellung sind einfach zu köstlich. Autor JP O’Conell ist außerdem klug genug, Antagonisten wie Cecil, nicht nur gierig und schmierig, sondern charmant und auf amüsante Art durchtrieben darzustellen. Wir freuen uns, wenn er scheitert. Aber mindestens ebenso sehr, wenn er einen neuerlichen, wahnwitzigen Coup ausheckt.
Fazit: elegant, süffisant, nostalgisch und mit viel Zeitkolorit. Wer Downtown Abbey und die 1920er Jahre liebt, wer Italien im Herzen trägt und sich vom Charme der ligurischen Riviera einfangen lassen will, der liegt mit diesem Roman genau richtig. Lesen Sie unbedingt zuerst den ersten Teil, um die Charakterentwicklungen nachvollziehbarer zu machen. Auf Prime bzw. Magenta TV läuft bereits die 3. Staffel der Serienverfilmung. Und auch dieser Band der Buchreihe lässt noch viel Potenzial für weitere Folgeromane erahnen.
JP O’Conell: Sommer im Hotel Portofino.
Aus dem Englischen übersetzt von Eva Kemper.
DuMont Buchverlag, Juni 2024.
384 Seiten, gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.