Mariann Bühler: Verschiebung im Gestein

Mariann Bühler erzählt in ihrem Romandebüt „Verschiebung im Gestein“ von drei Menschen, die in einem engen Tal in den Alpen leben. Talgrund gibt es keinen. Nur ein Fluss und eine Straße markieren den tiefsten Punkt. Das Dorf stemmt sich, wie viele Dörfer am Land, gegen die Abwanderung. Elisabeth betreibt die einzige Bäckerei und sogar die war lange geschlossen. Nach dem Tod ihres Mannes Jakob fiel Elisabeth in ein Loch, aus dem sie sich nur langsam wieder herausrappeln konnte. Sie hat eine einzige Tochter, Ruth. Ruth ist aus dem Dorf fortgegangen, weil die Beziehung zu ihrer Mutter schwierig war und ist. Sie kommt allerdings zurück, um in der Umgebung in der Hauskrankenpflege zu arbeiten, wohnt aber nicht bei ihrer Mutter, sondern bei dem alleinstehenden Bauern Alois. Sie mögen einander und eine Weile sieht es so aus, als könnte sie ihre Beziehung in eine gemeinsame Zukunft tragen. Dem ist aber nicht so.

Die dritte Protagonistin kehrt zeitweise in das Dorf zurück, um das Haus ihrer Großeltern als Sommerhaus zu bewohnen. Sie hat keinen Namen, aber es verbinden sie viele Erinnerungen mit dem Tal, weil sie dort aufgewachsen ist. Sie kauft Brot bei Elisabeth, ohne sie zu kennen oder in näheren Kontakt mit ihr zu treten. Das Sommerhaus steht leer, die Großeltern wohnen nicht mehr dort. Mariann Bühler erzählt die Geschichten der drei Hauptpersonen nicht chronologisch, sondern in Vor- oder Rückblenden, parallel oder überlappend wie die Gesteinsschichten, die in den Felswänden in der Nähe des Dorfes aufeinandertreffen. Das hat leider zur Folge, dass man sich immer wieder fragt, von wem denn gerade berichtet wird, bevor sich die Fäden immer deutlicher entwirren.

 

Irgendwie sind alle Figuren miteinander verbunden oder ihre Leben berühren einander peripher. Die Großeltern der namenlosen Frau werden zum Beispiel von Ruth betreut. Hervorzuheben ist die bildreiche, ästhetische Sprache der Autorin. Sie gibt dem Text eine kompakte Dichte.  Wer auf ein Happy End wartet, wird enttäuscht. Die Dinge in diesem Buch sind im Fluss. Sie laufen nicht auf ein Ziel zu und fertig. Die Lebensgeschichten mäandern und trotzdem besteht die Hoffnung, dass alles gut wird für Alois, Elisabeth, Ruth und die namenlose junge Frau, die am Ende ein Baby erwartet.

Fazit: Ein sprachlich dichtes, sehr gutes Buch, das einen Einblick gibt in das Landleben im Gebirge, fernab von allen Klischees. Keine leichte Unterhaltungslektüre, die man mit einem Happs verschlingt, sondern ein Text, den man mit Bedacht genießt. Gut gemacht, bitte mehr davon!

Mariann Bühler: Verschiebung im Gestein.
Atlantis Literatur, Juli 2024.
208 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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