Jon Fosse: Ein Leuchten

Ein Leuchten ist der neueste Roman des Literaturnobelpreisträgers 2023 Jon Fosse. Auch diesmal bleibt Jon Fosse dem für ihn typisch knappen, ohne Ausschmückung auskommenden, dafür um so eindringlicherem Schreibstil treu.

Was dem Protagonisten in „Ein Leuchten widerfährt, beziehungsweise, in welche Gefahr er sich in dieser Geschichte hineinkatapultiert, ähnelt den Nahtodbeschreibungen, die man vielleicht aus verschiedenen Berichten kennt.

Jon Fosse dringt mit den LeserInnen in „Еin Leuchten tief in die Gedankenwelt des Protagonisten ein. Dieser fährt ohne ein Ziel mit seinem Auto einfach los, biegt immer wieder in unterschiedliche Richtungen ab, bis er in einem Waldweg stecken bleibt. Anstatt umzukehren, um auf jemanden, der ihm helfen könnte, zu treffen, wagt er sich immer weiter in den düsteren Wald hinein. Die zunehmende Dunkelheit nimmt ihn gefangen, bald schon hat er den Orientierungssinn verloren. Er konfrontiert sich mit Selbstvorwürfen, reflektiert, was er falsch gemacht und wie er sich besser anders hätte entscheiden sollen.

Kälte, Angst, Verzweiflung, Erschöpfung, alles bricht über ihn herein. Längst hätte er sich aufgegeben, wenn er nicht immer wieder ein Licht gesehen hätte, die Lichtgestalt, die immer näher kommt und schließlich den Weg neben ihm geht, seine Eltern, die plötzlich bei ihm sind und einsilbige Antworten geben.
Dazwischen liest man immer wieder einmal ein „Jau“ des Protagonisten, jene Bekräftigung seiner Gedanken, die ihn für die LeserInnen dann so nahbar in seiner unheilvollen, unwirklich anmutenden Situation machen.
Und dann ist es still. Ganz still. Ja so still, dass man die Stille anfassen könnte,(E-Book. S. 25)
Am Ende der Gang ins Nichts, barfuß, gemeinsam mit seinen Eltern. Die andauernde, beklemmende Morbidität bündelt sich im offenen Nichts, das vom tröstlichen Leuchten eingehüllt ist.
Düsternis, Einsamkeit, Stille und nahbarer Tod treffen auf ein leuchtendes Licht und Hoffnung.


Die nur 80 Seiten umfassende Lektüre lässt nicht los, wiegt schwer und lange nach.

Jon Fosse ist Jahrgang 1959 und wurde in der kleinen Küstenstadt Haugesund/Norwegen geboren. Der Autor, Dramatiker, Lyriker, Essayist und Übersetzer gilt als eine der wichtigsten Stimmen zeitgenössischer Literatur Norwegens. Der Vielschreiber Fosse, der zunächst mit über dreißig Theaterstücken bekannt wurde, hat über fünfzig literarische Werke veröffentlicht. Seit 2011 genießt er lebenslanges Wohnrecht in einer Ehrenwohnung des norwegischen Königs am Osloer Schlosspark.

Jon Fosse: Ein Leuchten.
Übersetzung aus dem Norwegischen: Hinrich Schmidt-Henkel.
Rowohlt, Dezember 2023.
gebundene Ausgabe, 80 Seiten, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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Ein Kommentar zu “Jon Fosse: Ein Leuchten

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