Das unscheinbare Dörfchen Nincshof liegt in der alleräußersten Ecke Österreichs an der Grenze zu Ungarn. Isa Bachgasser und ihr Mann Silvano Mezzaroniaus Wien kaufen dort eine alte Mühle und bauen sie zu einem modernen Eigenheim um. Silvano, dank eines Erbes von seinem Beruf als Architekt unabhängig, erfüllt sich einen Herzenswunsch, indem er Irrziegen züchtet, die ursprünglich aus Südamerika stammen. Er findet relativ leicht Zugang zu den Alteingesessenen.
Isa hingegen, Dokumentarfilmerin in einer Schaffenspause, kann in dieser provinziellen Einöde nur schwer Fuß fassen. Schließlich ergibt sich ein sachter Kontakt zur Witwe Erna Rohdiebl. Erna gehört mehr unfreiwillig als freiwillig zum Club der Oblivisten. Diese Oblivisten arbeiten daran, Nincshof in Vergessenheit geraten zu lassen.
Sie sind der Meinung, alles, was von „außen“ kommt, braucht man nicht, weil es eigentlich nur „erfunden“ ist und nichts Gutes bringt. Regierungen sind für Oblivisten zum Beispiel so eine Sache. Das klingt nach einer Mischung von Verschwörungstheorie und „Brexit“. Ein „“Nincsit“ sozusagen. Die Oblivisten montieren Straßenschilder ab, löschen Hinweise auf Nincshof aus sämtlichen digitalen Medien, trennen Seiten aus den Büchern in den Bibliotheken, in denen Nincshof erwähnt wird. Niemand soll das Dorf finden, der es nicht ohnehin schon kennt.
Dieses seltsame Ansinnen der Oblivisten hat allerdings eine historische Wurzel. Erna Rohdiebl verrät Isa Bachgasser nach und nach, warum die Nincshofer vergessen werden wollen.Nincshof wurde nämlich erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg entdeckt! Davor lebten die Nincshofer auf Pfahlbauten in den Sümpfen rund um den Neusiedlersee. Der Zugang zum Dorf, ein Holzbohlenweg, befand sich versteckt zwischen zwei Maulbeerbäumen. Nichts und niemand störte die Nincshofer in ihrem Tun und Treiben.
Als man aber begann, die Sümpfe trockenzulegen und das neu gewonnene Land urbar zu machen, tauchte Nincshof quasi auf der Landkarte auf. Die Oblivisten sind der Meinung, unentdeckt und unbehelligt habe es ich besser gelebt und darum wollen sie diesen Zustand wieder herstellen. Das erfordert natürlich einiges an List und Tücke und verursacht Turbulenzen, in die Isa und ihr Mann Silvano hineingezogen werden.
Ob es den Nincshofern gelingt, vergessen zu werden, kann der geneigte Leser bei der Lektüre dieses bunten und ideenreichen Buches selbst erfahren. Es erwarten ihn sympathische Figuren, skurrile Begebenheiten und eine temporeiche Handlung. Witzige Sommerlektüre mit einer Prise Absurdem!
Johanna Sebauer: Nincshof.
Dumont, Juli 2023.
367 Seiten, Hardcover, 23,70€.
Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.