Jodi Picoult: Ich wünschte, du wärst hier

Diana hat ihr Leben im Griff. Trotz der Mutter, die ihr Kind immer wieder zu vergessen schien, während sie als Fotografin um die Welt reiste und einen Preis nach dem anderen gewann. Diana arbeitet bei Sotherby’s und es ist ihre Aufgabe, in Frage kommende Bilder zu begutachten, die Todesanzeigen im Auge zu behalten und potentielle Verkäufer zu überreden. Ihr Verlobter Finn arbeitet als Arzt in einem Krankenhaus und da Diana alles plant, weiß sie, dass er sie auf der bevorstehenden Reise um ihre Hand bitten wird.

Wir schreiben den März 2020. Finn bittet sie, alleine zu fahren, da er aufgrund eines neuartigen Virus im Krankenhaus unabkömmlich sei. Kaum ist Diana auf den Galapagos-Inseln angekommen, fällt die Welt in den Lockdown. Sie sitzt fest, mit kaum Handyempfang, ohne WLAN und mit geschlossenen Hotels und Geschäften. Sie lernt Gabriel und seine Teenager-Tochter kennen. Aus Tagen werden Wochen, aus Wochen Monaten. Aus sporadischen E-Mails ihres Freundes Finn erfährt sie, wie dramatisch die Lage in New York inzwischen ist. Ihre Mutter stirbt an Corona im Pflegeheim. Sie lernt, Gabriel zu lieben. Und dann dreht sich die Welt plötzlich weiter.

Wow, was für ein Roman. Was für eine Rückschau auf das Jahr 2020 und was es mit uns allen gemacht hat. Mit Finn erleben wir den Zusammenbruch des Gesundheitswesens in New York, mit Diana den Lockdown auf den Galapagos-Inseln. Und beides kann Menschen verändern. Diana überdenkt ihr geplantes Leben, hinterfragt ihre Entscheidungen und nicht nur, weil sie im „Urlaub“ Zeit dafür hat, sondern auch wegen dem, was nach Gabriel mit ihr passiert. In meinem Kopf war das erste Jahr der Corona-Pandemie plötzlich wieder ganz nah. Mit all dem Unwissen, das wir damals hatten, mit den verzweifelten Versuchen, das Unbekannte zu begreifen, einzuordnen, irgendwie damit zu leben. Corona-Leugner und die Trump-Politik erwähnt Jodi Picoult nur am Rande, da ist aber in diesem Buch auch wirklich kein Platz für.

Kontraste

Die Geschichte lebt von ihren Kontrasten, von dem Gegenüberstellen von Kunst und Wissenschaft. Beides hat seine Methoden und beides hat seine Zeit und seine Berechtigung. Herausgekommen ist ein Roman voller Düsternis und Leben, voller Trauer und Hoffnung. Und voller Aussichten auf das, was noch kommt. Die Geschichte katapultiert gerade im zweiten Teil so hart zwei Jahre zurück, dass ich mich kaum davon lösen konnte. Es ist nicht spannend im Sinne von „was mag als nächstes kommen“, sondern anders spannend, fesselnd. Wir alle wissen, was als nächstes kam, aber wie die Protagonisten damit umgehen, macht es so mitreißend.

Unbedingte Leseempfehlung

Jodi Picoult: Ich wünschte du wärst hier.
Aus dem Englischen übersetzt von Elfriede Peschel.
Bertelsmann, November 2022.
416 Seiten, Gebunden, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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