Schon in seinem ersten Roman (wie übrigens in den meisten seiner Hörspiele, die ich auch empfehlen kann) hat Ivar Leon Menger bewiesen, dass bei ihm selten etwas so ist, wie es dem Leser oder dem Protagonisten scheint.
Mia lebt in Berlin in einer WG und möchte Schauspielerin werden. Gerade war sie zum Vorsprechen für einen Film und macht sich große Hoffnungen, dieses Mal die Hauptrolle zu ergattern. Nebenbei trifft sie immer wieder Männer aus dem Internet zum Ausgehen und gerade ist es einer, der ein Haupttreffer zu sein scheint. Das erste Date mit Viktor findet in sehr gediegener Umgebung statt, ihre Mitbewohnerin ist begeistert. Mia weniger, obwohl sie nicht wirklich belegen kann, warum. Seltsame Dinge geschehen, ihr Hausschlüssel verschwindet und taucht plötzlich wieder auf, in ihrem Zimmer stehen plötzlich Dahlien und sie weiß nicht, wie sie dort hinbekommen sind. Letztlich ist alles irgendwie erklärbar, aber ein schlechtes Gefühl bleibt. Mia kommt sich verfolgt vor und vermutet Viktor hinter den Geschehnissen.
Mehr möchte ich über den Inhalt hier nicht verraten, aber dann geht die Geschichte erst so richtig los. Ivar Leon Menger baut sie geschickt auf, so dass der Leser immer wieder glaubt, es endlich durchschaut zu haben und dann doch auf eine falsche Fährte gelockt wurde. Es bleibt spannend bis zum Schluss.
Gar nicht warm geworden bin ich allerdings mit der Protagonistin Mia. Verständlich erscheint noch, dass sie an manchen Stellen förmlich durchdreht und nicht immer logisch handelt. Aber wirklich, bei einem technikaffinen jungen Mann rechne ich doch in der Wohnung als Erstes mit Kameras. Sie verschwendet nicht mal einen Gedanken daran. Dann geht sie Risiken ein, bei denen ich nur die Augen verdreht habe und die sich auch nicht mehr mit vor Angst aussetzendem Denken erklären lassen. Die Geschichte wird hauptsächlich aus ihrer Sicht erzählt und sie soll mutig rüberkommen, sie soll von der Gejagten zur Jägerin werden und sich das Stalking einfach nicht bieten lassen. Bei mir kam sie einfach nur naiv und stellenweise dämlich an.
Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen würde ich das Buch empfehlen. Spannend war es nämlich bis zum Ende. Und auch wenn Mia nicht gerade eine Lisbeth Salander ist, hat sie doch ihre Reize. Sie hat Durchhaltevermögen und lässt sich nicht abwimmeln. Sie weiß zumindest, wie sie nicht behandelt werden möchte. Sie versucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten sich zu wehren und vielleicht zeigt gerade sie den kleinen Rahmen auf, den Frauen in solchen Situationen haben. Ich mochte die Wendungen in dem Buch, die bis zum Schluss nicht nachlassen.
Ivar Leon Menger: Angst
DTV, August 2023
448 Seiten, Paperback, 16 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.