Ingrid Noll: Tea Time

Ooops… i did it again! Niemand mordet so beiläufig, amüsant und abgeklärt wie Ingrid Nolls Protagonistinnen. Da macht auch ihr neuester Roman keine Ausnahme. Ruckzuck laufen aberwitzige Alltagssituation aus dem Ruder und die (Anti-) Heldinnen improvisieren mit drastischen Maßnahmen. Das liest sich einfach rundum köstlich! Erst recht, wenn Noll in „Tea Time“ ihre sechs Protagonistinnen mit derart aberwitzigen Marotten ausstattet. Fransenfimmel, kokonartige Schlafrituale, das Deuten von „Wolkenhoroskopen“ oder das Bedürfnis, in fremde Häuser einzudringen: Die Freundinnen haben nicht umsonst den „Club der Spinnerinnen“ gegründet.

Schon seit Jahrzehnten zeigt die deutsche Autorin Ingrid Noll, dass Krimis wunderbar ohne Blut, Gemetzel oder Psychosen auskommen. Ihre Werke überzeugen durch Köpfchen und Charme. Und einer hinreißenden Beobachtungsgabe für die kleinen Absurditäten des Alltags, die jede Menge unvermuteten Sprengstoff bieten. So auch in diesem Fall…

Eigentlich geht es im Leben von Nina recht beschaulich vonstatten. Sie lebt in einem alten Fachwerkhaus am Marktplatz im baden-württembergischen Weinheim, ihre Nachbarin Franzi ist gleichzeitig ihre beste Freundin. Nina arbeitet als Pharmazeutisch-technische Assistentin in einer Apotheke. Neben ihren etwas gewöhnungsbedürftigen Schlafritualen, geht sie einem ebenso ungewöhnlichen Hobby nach: dem Fotografieren von Unkräutern oder unscheinbaren Pflänzchen am Wegesrand. Sie trifft sich regelmäßig mit dem „Club der Spinnerinnen“ zu Klatsch, Prosecco sowie der Offenbarung neuester Spleens. Männer gibt es keine in ihrem Leben.

Bis sie eines Tages ihre Handtasche im Park vergisst. Wenig später meldet sich ein alkoholkranker Arbeitsloser als Finder, der mehr fordert als den üblichen Finderlohn. Extrem aufdringlich, muss Nina notgedrungen zu drastischen Maßnahmen greifen, um sich ihres unangenehmen Verfolgers zu entledigen. Doch dieser lässt sich nicht so leicht abwimmeln. Als sich herausstellt, dass es sich dabei um den Ex-Mann einer Freundin aus dem „Club der Spinnerinnen“ handelt, droht die Situation vollends zu eskalieren. Wie gut, dass es da noch den nerdigen, intellektuellen Nachbarn Yves gibt, der bei Bedarf tatkräftig mit anpacken kann. Auch Ninas Kenntnisse als pharmazeutisch-technische Assistentin soll sich noch als nutzbringend erweisen …

Wie keine andere Autorin verdeutlicht Ingrid Noll auf süffisant-selbstironische Weise, dass unter Umständen jede/r zur oder zum Mörder/in werden kann. Ihre Figuren schliddern in unmögliche Situationen, die scheinbar aus dem Nichts eskalieren. Doch wozu verzagen? Das Leben geht weiter. Garniert mit jeder Menge Wortwitz und einem halben Dutzend Frauen, die allesamt „einen an der Klatsche“ haben, weshalb man ihnen beim Lesen ihre mörderischen Fehltritte nachsieht. Nebenbei beleuchtet Noll die Dynamik von Frauenfreundschaften rund um Zusammenhalt, Neid, Sympathie und neckischen Spitzen. Die ideale Lektüre für eine gediegene Tea Time auf dem heimischen Sofa!

Ingrid Noll: Tea Time.
Diogenes, Oktober 2022.
320 Seiten, Gebundene Ausgabe, 25,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

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Ein Kommentar zu “Ingrid Noll: Tea Time

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