Freya Sampson: Die letzte Bibliothek der Welt

Wieder ein Roman, in dem eine Bibliothek gerettet werden soll. Eine schöne, herzerwärmende, wenn auch leicht kitschige, hausbackene Geschichte, die uns die englische Autorin erzählt. Ein wenig haben mich die Story und die handelnden Personen an den Roman „Die Buchhandlung“ von Penelope Fitzgerald erinnert. Besonders die Hauptfiguren ähneln sich sehr.

Die junge June lebt allein in dem Haus, in dem sie seit ihrer Kindheit mit ihrer Mutter wohnte. Diese ist vor einigen Jahren verstorben, doch June bewahrt im Haus alles so, wie es zu Lebzeiten ihrer Mutter war. Sie lebt im Grunde nicht ihr eigenes Leben, sondern vielmehr versucht sie, ihre Mutter zu sein. So hat sie auch deren Stelle als Bibliothekarin in der örtlichen Bücherei übernommen, obwohl sie sich einen ganz anderen Lebensweg gewünscht hatte.

June ist Herz und Seele der Bibliothek, ganz im Gegensatz zu ihrer kratzbürstigen Chefin Marjorie. Etliche Bewohner des Dorfs betrachten die Bibliothek als Zuflucht, Wohn- oder Arbeitszimmer, Treffpunkt oder Nachhilfeschule. June kümmert sich um den alten Stanley, hilft Chantal bei schulischen Problemen, widersteht allen Beschwerden älterer Mitbürgerinnen über den angeblich schlechten Lesestoff.

Da erreicht eine Schreckensnachricht die Nutzer der Bücherei: diese soll geschlossen werden. Zuvor ist eine Evaluation vorgesehen. Die unterschiedlichen Menschen schließen sich nun zu einer kampfbereiten Truppe zusammen zur Verteidigung der Bibliothek. June, überängstlich, extrem schüchtern und verklemmt, traut sich zuerst nicht, ihre Freunde zu unterstützen. Doch nach und nach bringt sie sich dann doch ein in die Auseinandersetzungen mit den Verantwortlichen in Stadt und Kreis. Zeitgleich verwirrt die Wiederbegegnung mit einem früheren Schulfreund ihr Herz und Verstand.

All das ist locker und leicht erzählt, mit manchem Augenzwinkern, mit Gefühl und Empathie. Die Figuren sind die typischen Bewohner englischer Kleinstädte, mit all ihren Verschrobenheiten und ihren liebenswerten Seiten. Genau darum hat mir dieser Roman so gut gefallen; dieses Lokalkolorit, das auch vielen englischen TV-Serien zu eigen ist, trifft meinen Geschmack. Auch ist die Handlung hinreichend fesselnd, dass man stets gespannt weiterblättert.

Doch gibt es wenig Überraschendes in diesem Roman, sowohl die Handelnden wie auch die Handlung sind nichts revolutionär Neues, bis hin zu den Verwicklungen in der wachsenden Liebesbeziehung Junes hat man all das schon oft anderswo gelesen. Die Schüchternheit und die Ängste der Protagonistin sind etwas zu dick aufgetragen und nicht immer ganz nachvollziehbar.

Und das Ende schließlich ist wirklich komplett unrealistisch, überzogen kitschig und ebenfalls schon zu oft in derartigen Geschichten verwendet. Gerade dieses Friede-Freude-Eierkuchen-Ende hat mich dann doch ein wenig enttäuscht, nachdem ich den Roman an sich mit großer Freude und viel Vergnügen gelesen haben. Zumal er mit reichlichen Anspielungen an bekannte Romane der Weltliteratur aufwartet, was ein zusätzliches Vergnügen bereitet.

Freya Sampson: Die letzte Bibliothek der Welt.
Aus dem Englischen übersetzt von Lisa Kögeböhn.
DuMont Buchverlag, August 2021.
368 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.