Florian Knöppler: Habichtland

Mit dem Roman „Habichtland“ legt Florian Knöppler, ein Jahr nach seinem ersten Roman  „Kronsnest“, die Fortsetzung vor.  Die Welt jedoch hat sich inzwischen dramatisch verändert. Mich erreichte der Titel „Habichtland“ am sechsten Tag des Ukrainekrieges. Zwar erzählt Florian Knöppler die Geschichte einer Familie, die an den Verhältnissen des erstarkenden Nationalsozialismus in Deutschland zu zerbrechen droht, Die Frage jedoch, die der Autor mit seinem neuen Plot stellt ist die Frage, der  sich im Frühjahr 2022 Millionen von Menschen stellen müssen: Wie kann man leben und lieben, wenn die Welt im Irrsinn versinkt?

Natürlich ahnte Florian Knöppler nicht, in welch grausame Aktualität er seine Geschichte hineinerzählte. Es ist die Fortsetzung der Vita seines Protagonisten aus „Kronsnest“. Hannes ist inzwischen ein erwachsener Mann geworden. Er lebt mit Lisa und den beiden Kindern auf einem kleinen Hof in der Elbmarsch. Der zweite Weltkrieg tobt bereits durch Europa und auch in den Dörfern Schleswig-Holsteins ändern sich die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Wieder gerät Hannes unter Druck. Diesmal ist es nicht der inzwischen verstorbene Vater. Hannes will sich aus allem heraushalten und ein zurückgezogenes Leben führen. Doch Lisa tut sich schwer. Sie kann ihre kritische Haltung zum braunen Regime nicht verheimlichen. Als Hannes ein öffentliches Amt annimmt tut er dies, um Lisa und die Familie zu schützen. Doch die Ehe gerät in eine Krise. In dieser Zeit kommt Hannes Jugendliebe Mara in die Elbmarsch zurück. Die erneute Begegnung mit ihr geht nicht spurlos an Hannes vorüber.

Auch diese Geschichte erzählt Florian Knöppler in beeindruckender sprachlicher Dichte. Der 1966 geborene Autor bringt dabei beste persönliche und fachliche Kompetenzen ein. Mit seiner Familie lebt er auf einem Hof in der Elbmarsch. Hier steht auch „Bühne“ seiner Romane. Seine berufliche Qualifikation hat sich Florian Knöppler mit dem Studium von Romanistik, Germanistik und Philosophie in Bonn und Bologna erworben. Der Journalist arbeitete als Redakteur für Zeitungen, Radio- und Fernsehsender. In seinen stets sorgfältig recherchierten Reportagen schrieb er über Menschen mit besonderen Lebenswegen. Auch darum ist er in der Lage, seinen Protagonisten einfühlsam  Kontur zu verleihen. Schnell spürt der Lesende, dass der Autor ein gutes Gefühl für menschliche Bedürfnisse hat. Offenheit, Toleranz und Respekt versteht er als Grundlage sozialer Beziehungen.

Florian Knöppler baut den Spannungsbogen seiner Geschichte konsequent auf. Der Lesende fiebert mit Hannes Thormählen mit. Immer wieder droht die Familie in den Fängen des erstarkenden Nationalsozialismus zu zerbrechen. Ebenso geraten seine Gefühle durcheinander. Auf der einen Seite ist die abgekühlte Beziehung zu Lisa. Auf der anderen scheint Mara sein Herz wieder zu erobern. Das zweite Standbein des Plots, eine Liebesgeschichte, erzeugt zusätzliche Spannung beim Lesenden.

Wieder gelingt es dem Autor hervorragend, die persönlich-emotionale und die gesellschaftlich zugespitzte Lebenssituation seiner Charaktere in eine spannende Handlung umzusetzen. Es sind die Gegensätze, die dem Plot Leben einhauchen: Der leise Hannes und die brüllenden Parolen jener Zeit. Das geerdete Familienleben in der Zerreisprobe gesellschaftlicher Erwartungen. Der Mut Menschen zu schützen und die Angst vor Verrat. Ich hatte das Gefühl von Florian Knöppler an die Hand genommen zu werden, um aktiv an der Handlung beteiligt zu werden. Seine

bildhafte Ausdrucksstärke, seine sorgfältige Wortwahl und seine authentischen Beschreibungen verstärken dieses Empfinden.

Mich haben der Aufbau und die Dramaturgie des Plots beeindruckt. Es fiel mir schwer, das Buch für eine Lesepause aus der Hand zu legen. Immer wieder kam mir die Themenfrage in den Sinn: Wie kann man leben und lieben, wenn die Welt im Irrsinn versinkt? Natürlich waren meine Leseeindrücke  beeinflusst von den Ereignissen in der Ukraine. Aber gerade darum habe ich die Themenfrage als zeitlos eindringlich und wichtig wahrgenommen. Dafür bin ich Florian Knöppler dankbar! Meine uneingeschränkte Leseempfehlung gebe ich ihm gerne. Leben wir nicht gerade in Zeiten, die förmlich nach neuen Antworten schreien?

Florian Knöppler: Habichtland.
Pendragon, Februar 2022.
320 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Martin Simon.

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