Wenn 1954 ein hochrangiger Politiker, und in diesem besonderen Fall der Präsident des Verfassungsschutzes, verschwindet, ein paar Tage später in Ost-Berlin vor Presseleuten eine kommunistische Rede schwingt, sind einige Fragen zu beantworten. Dies soll der Bonner Kriminalhauptkommissar Gerber vom BKA für Adenauer erledigen. Schon zu einer früheren Zeit gelang es diesem, brisante Unterlagen für den Bundeskanzler zu sichern. Nun steht er wieder an der Front zwischen den Geheimdiensten. Angeblich soll neben dem ‚übergelaufenen‘ Dr. John auch Gerbers Freundin, die Journalistin Eva Herden, in Ost-Berlin gesehen worden sein. Sie habe Dr. John interviewt und über die Grenze begleitet. Gerber sieht von den beiden Fotos und ist irritiert. Hat Eva die ganze Zeit gelogen? Hat sie seine Kontakte möglicherweise für Spionagezwecke missbraucht? Zweifel und Angst um Eva begleiten seine Ermittlungen.
Normalerweise sollte ein Polizist an keiner Ermittlung beteiligt sein, wenn dessen Angehörige im Zentrum von möglichen Straftaten stehen. Doch Adenauer ist der Meinung, dass gerade die enge Verbindung zwischen Gerber und Eva Herden höher zu bewerten sei als eine Befangenheit. Natürlich sehen Kollegen vom Nachrichtendienst der Organisation Gehlen (ORG) dies anders. Während Gerber den Spuren eines Auftragsmörders folgt, der systematisch alle wichtigen Zeugen in West-Berlin umbringt, entwickelt sich seine Ermittlung in eine politisch hochexplosive Richtung.
Unter dem Pseudonym Ralf Langroth schreibt der erfolgreiche Autor über sogenannte Meilensteine der deutschen Nachkriegsgeschichte. Der BKA-Kommissar Philipp Gerber steht zum zweiten Mal im Mittelpunkt der Geheimdienste und Politik, bei der niemand so genau weiß, wer Freund und Feind ist und wie schnell ein Feind zu einem Freund werden kann.
Der Autor beschreibt in einem sachlichen Ton ungeklärte, spektakuläre Fälle. Dadurch rücken die Protagonisten ein wenig von der Leserin, dem Leser weg. Denn im Vordergrund sollen die recherchierten Ereignisse und ihre Verwicklungen stehen.
Gerber macht sich um seine abtrünnige Geliebte Sorgen und kommt auch nachts nicht zur Ruhe. Aus der anfänglichen Schlaflosigkeit wird eine strapaziöse Routine. Hier kann ihm nur viel Kaffee und steter Zigarettenkonsum helfen. Aufgeheizte Besprechungen vor dem Morgengrauen und anschließend der normale Polizeialltag treiben Gerber über die Erschöpfungsgrenze hinaus. Diese Atem- und Ruhelosigkeit beschreiben einen Wettlauf, der im Prinzip schon vor Beginn entschieden ist. Gerbers Gegner meistern fast jede Manipulation, um mit falschen Informationen vom eigentlichen Geschehen abzulenken. Dies sorgt für eine kurzweilige Unterhaltung, bei der vieles erschreckend realistisch klingt.
Ralf Langroth: Ein Präsident verschwindet.
rororo, Februar 2022.
384 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.