Eva Maria Bast: Sisis Schwester

Helene, Elisabeth, Ludwig, Sophie Charlotte, Marie, Mathilde, Carl Theodor, Maximilian, Wilhelm Karl, Max Emanuel …

Das sind die Geschwister von Sisi, der späteren Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn und eben Sophie Charlotte, ihrer jüngeren Schwester, zu der sie – wie u.a. zu Helene, genannt Nené – zeitlebens einen engen Kontakt hatte. Sophie Charlotte und ihre Geschwister hatten als Kinder von Herzog Max in Bayern und seiner Frau Ludovika auf Schloss Possenhofen am Starnberger See eine fröhliche und durchaus auch glückliche Kindheit, auch wenn die Eltern sich nicht wirklich geliebt haben oder glücklich miteinander waren.

Sie führten eine stabile Ehe und legten großen Wert auf eine standesgemäße Erziehung und entsprechenden Umgang. Über Sophie Charlotte werden die meisten von wohl nicht allzuviel wissen. Umso schöner, dass die Journalistin, Autorin und Verlegerin Eva Maria Bast grade Sophie Charlotte ausgewählt hat, um sie in einer historisch fundierten, gut recherchierten und entsprechend belegten Romanbiografie sozusagen zum Leben zu erwecken. Wir lernen eine junge Frau kennen, die ihre eigenen Vorstellungen vom Leben und es deswegen nicht immer leicht hat. Geboren 1847, war sie ab 1861 – nachdem alle ihre Schwestern verheiratet waren – die einzige Tochter, die noch bei den Eltern lebte. Herzogin Ludovika setzte alles daran, auch ihre jüngste Tochter standesgemäß zu verheiraten, doch keiner der Bewerber fand Gnade vor Sophie Charlottes Augen.

Befreundet mit Ludwig von Bayern

Sie war eng befreundet mit Kronprinz Ludwig von Bayern, der 1864 im Alter von 18 Jahren den Königsthron von seinem Vater übernehmen musste, als dieser plötzlich starb . Seine Liebe galt allerdings weniger seinem Volk und dessen Wohlergehen – Ludwig war ein großer Musikliebhaber und ein großer Verehrer Richard Wagners, den er großzügig unterstützte, was beim Volk nicht grade wohl gelitten war. Seine innige Freundschaft zu Sophie Charlotte, mit der er die Liebe zur Musik teilte und die er sooft er konnte, auf Possenhofen besuchte, veranlasste Herzogin Ludovika eines Tages, ihn nach der Ernsthaftigkeit seiner Absichten zu fragen, was Ludwig sehr verunsicherte.

Er stellte seine Besuche ein. Ludovika verbot ihrer Tochter daraufhin den Kontakt mit dem König. Ausgerechnet daraufhin beschloss Ludwig, Sophie Charlotte zu heiraten. Die Verlobung wurde verkündet, die Hochzeitsvorbereitungen liefen auf Hochtouren, doch Ludwig, der als eigensinnig, wenig einfühlsam, manchmal schroff und auch wankelmütig bekannt war, verschob die Hochzeit immer wieder. Er hatte Angst, sich zu binden und fürchtete wohl, grade weil Sophie ihm nicht gleichgültig war, sie nicht glücklich machen zu können. Ludwig löste die Verlobung. Ein Skandal.

Zweifel an der Liebe

Allerdings war Sophie eher erleichtert, denn sie selbst hatte Zweifel an ihrer Liebe zu Ludwig, wenn auch nicht an ihrer freundschaftlichen Zuneigung. Sophie hatte bei den Aufnahmen für die Verlobungsfotos den bürgerlichen Edgar Hanfstaengl kennengelernt, den Sohn des Fotografen, und sich in ihn verliebt. Sie kamen sich näher. Dank der  Vermittlung zweier vertrauter Hofdamen konnten sie sich in aller Heimlichkeit treffen, dennoch machten Gerüchte die Runde – was Ludwig bei der Auflösung der Verlobung nur zupass kam.

Die kurze Affäre mit Edgar Hanfstaengl und die Unmöglichkeit einer offiziellen Verbindung mit ihm, einem Bürgerlichen, lässt in Sophie die Frage aufkommen, warum für Frauen nicht möglich sein sollte, was für Männer akzeptiert wurde. Ihr ältester Bruder Ludwig hatte aus Liebe zu einer Bürgerlichen auf seine Erstgeborenenrechte als künftiger Herzog verzichtet.

Neubeginn

Schließlich willigt Sophie ein, den Herzog von Alencon zu ehelichen, einen Nachkommen des Hauses der Bourbonen, aus Frankreich vertrieben, nachdem die Herrschaft der Bourbonen zu Ende gegangen war und Sophie in ehrlicher Liebe zugetan. Auf ihren Wunsch hin nennt er sie bei ihrem zweiten Vornamen, Charlotte – womit sie einen Neubeginn in ihrem Leben markieren will. Mit Ferdinand von Alencon geht Charlotte nach England, wo seine Familie im Exil lebt. Sie wird herzlich aufgenommen, findet Freunde und Vertraute und dennoch leidet sie unter Heimweh und der Sehnsucht nach Possenhofen. Mit Ferdinand hatte sie zwei Kinder, Louise und Emanuel. Mehrmals hat die Familie den Wohnsitz gewechselt. Von England, wo Charlotte das Klima für ihre ständigen Erkrankungen verantwortlich machte, übersiedelten sie nach Vincennes, als es für Ferdinands Familie wieder möglich war, französischen Boden zu betreten. Den Sommer verbrachten sie in Bayern, wo Sophie Charlotte sich sichtlich erholte.

Doch ein neuer Schicksalsschlag ließ Sophie Charlotte wieder schwer erkranken. Der mysteriöse Tod ihres Jugendfreundes und ehemaligen Verlobten, Ludwig II. hat sie schwer getroffen. Wochenlang erholte sie sich nicht und wurde schließlich auf Anraten ihres Bruders Carl Theodor und mit Einverständnis ihres Ehemannes in ärztliche Behandlung nach München überwiesen. Dort verliebte sie sich in ihren Arzt und riskierte ein weiteres Mal, ihre gesellschaftliche Stellung zu verlieren. Sie ging so weit, die Scheidung von Ferdinand zu erbitten. In der irrigen Annahme, auch ihr Geliebter werde sich scheiden lassen, um mit ihr ein neues Leben anzufangen. Ihre Scheidungsabsicht wurde von der Familie damit beantwortet, dass man sie in eine Nervenheilanstalt überwies, wo sie mehrere Monate martialische Behandlungen über sich ergehen lassen musste, bis sie als geheilt entlassen wurde und zu Ferdinand zurückkehrte. Mit ihm lebte sie dann in Paris, wo sie sich karitativ engagierte. Sophie Charlotte starb am 4. Mai 1897 beim Brand eines Wohltätigkeitsbazars.

Überschattet von Konflikten

Eine Romanbiografie, die uns die „kleine Schwester von Sisi, der österreichischen Kaiserin“ als lebenslustige junge Frau näherbringt, die die Musik liebt und ihre Freunde, die unabhängig sein möchte von Konventionen, denen sie als Adelige unterliegt und die dagegen aufbegehrt. Ihr Leben als Ehefrau ist überschattet von immer wieder aufflammenden Konflikten, die die Familie zerreißen könnten, Exil in England, Leben in Frankreich, ohne dort wirklich willkommen zu sein … Nach einem wirklich glücklichen Leben klingt das nicht.

Eva Bast:  Sisis Schwester – Sophie Charlotte in Bayern
Piper, September 2023
409 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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