Der isländische Autor Eiríkur Örn Norðdahl macht es den Lesern seines 650-Seiten-Mammutwerks „Böse“ nicht leicht. Ständig springt er – manchmal mehrmals auf einer Seite – zwischen der erzählten Handlung und Fakten oder philosophischen Überlegungen zum Nationalsozialismus hin und her. Das erfordert Konzentration und viel Willen zum Durchhalten, weil sich kein rechter Lesefluss einstellen will. Folgt man dem Autor bei einem Gedankengang, unterbricht er ihn sogleich wieder und fängt von etwas Neuem an. Das ist auf Dauer anstrengend.
Problem dieses im Original 2012 mit dem isländischen Literaturpreis ausgezeichneten Werkes ist aber auch ein anderes: Man wird mit den drei Hauptfiguren Agnes, Ómar und Arnór nicht richtig warm. Man liest zwar, was sie tun und denken, kann ihr Handeln aber kaum nachvollziehen. Liebesbeziehungen werden immer nur behauptet, aber für den Leser nie emotional fühlbar gemacht.
Vordergründig geht es um die aus Litauen stammende Studentin Agnes, die seit ihrer Kindheit vom Nationalsozialismus besessen ist. Sie sammelt alles zu diesem Thema und plant eine ausschweifende Masterarbeit, mit der sie sich aber übernimmt und nicht recht weiterkommt. Sie ist verbandelt mit dem Bummelstudenten Ómar, der schließlich herausfindet, dass Agnes eine Affäre mit dem Neonazi Arnór begonnen hat. Aus Wut darüber fackelt Ómar Agnes‘ Haus ab. Als sie schließlich schwanger wird, aber nicht weiß, wer der Vater ist, wird die Situation nicht besser.
Einigen Gehirnschmalz verwendet der Autor auch auf die Frage, wie wohl das Verhältnis der Isländer zu den Litauern ist – ein Aspekt, der für deutsche Leser in aller Regel eher von untergeordneter Bedeutung sein dürfte.
„Böse“ hat viele originelle Passagen, die zeigen, dass der 1978 geborene Autor schreiben kann. Insgesamt ist dieser Roman aber ein schwer verdauliches Durcheinander, nur für Hartgesottene.
Eiríkur Örn Norðdahl: Böse.
Tropen, Juni 2014.
658 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.