Fünf Akteure gibt es in diesem Buch. Herr T. liegt in einem abbruchreifen Pflegeheim und schreit während der Nacht, wenn keiner bei ihm ist. Er kann sich nicht artikulieren und erkennt niemanden. Er registriert allerdings, wenn jemand bei ihm sitzt. Meta ist Bankangestellte und nimmt sich eine kleine Auszeit. Sie betreut Herrn T. als sogenannte „Sitzwache“. Sie ordnet seine Decke, wenn die verrutscht, und befeuchtet seinen Mund. Dabei entdeckt sie, dass er Cognac mag und vermutlich ein Alkoholproblem hatte. Der Arzt Wendelin Pomp betreibt in diesem ausrangierten Heim eine Schmerzordination.
Er greift bei Notfällen ein und stellt die Totenscheine aus. Moses arbeitet bei der Nacht als Pfleger im Haus und muss 52 Bewohner betreuen. Außer ihm und Meta ist niemand da. Alle haben gekündigt, sind in Rente gegangen oder in andere Berufe gewechselt. Moses arbeitet bis zur Erschöpfung, aber er kann nicht für alle da sein. Frau Else ist am Beginn des Buches gestorben und geistert nun durch die leeren Flure. Ab und an plaudert sie ein bisschen mit Meta für die das offenbar kein bisschen gruselig ist. Angelika arbeitet tagsüber im Heim. Meta begegnet ihr nur sporadisch.
Angelika leiht ihr Arbeitskleidung. Dieses Buch gibt einen Einblick in die horrende Pflegesituation in manchen Heimen. Meta und Moses leisten Übermenschliches und auch Doktor Pomp verbringt seine Freizeit in seiner Ordination, um in Krisensituationen greifbar zu sein. Meta versucht, Herrn T. das Sterben schön zu machen, sofern das überhaupt möglich ist. Plötzlich aber erfährt sie, dass er Alkoholiker war/ist und seine Frau krankenhausreif geprügelt hat. Mehrmals. Hat so ein Mensch ein Anrecht auf liebevolle Zuwendung? Niemand aus seiner Familie kümmert sich um ihn. Gilt „Sterben in Würde“ auch für Scheusale auf dieser Welt?
Dieses Buch ist sehr beklemmend und auch wieder nicht. Auf den düsteren, gespenstischen Fluren wandern Meta, Moses und Pomp wie kleine Lichter durch die Nacht. David Fuchs weiß auf jeden Fall, wovon er spricht. Er arbeitet als Palliativmediziner. Wenn unser Leben zu Ende geht, hoffen wir alle auf ein bisschen Wärme und Zuneigung. Gott sei Dank gibt es immer noch Menschen, die dann für uns da sind.
David Fuchs: Zwischen Mauern.
Haymon, September 2023.
223 Seiten Hardcover, 19,90€.
Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.