Der Brasilianer Daniel Galera (Jahrgang 1979) machte erstmals hierzulande von sich reden mit seinem Roman „Flut“, der 2013 als erstes seiner Bücher auf Deutsch erschienen ist und auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Gastland Brasilien vorgestellt wurde.
Nun legt der Suhrkamp Verlag im März 2018 sein neues Buch „So enden wir“ in einer Übersetzung von Nicolai von Schweder-Schreiner vor.
Drei Mitte Dreißigjährige, zwei Männer und eine Frau, treffen sich auf der Beerdigung eines alten Freundes, Andrei Dukelsky (genannt Duke), im Sommer 2014 in Porto Alegre, im Süden Brasiliens wieder.
Aurora, Antero, Emiliano und der verstorbene Duke bildeten in ihrer Studentenzeit eine Freundes-Clique von jungen Intellektuellen zu Beginn des Internetzeitalters.
Aurora lebt in Sao Paulo, hat gerade ihr Zulassung zu ihrer Doktorarbeit über den Biorhythmus von Zuckerrohr verpatzt und besucht ihren Vater, der mit einem Herzinfarkt im Krankenhaus liegt, als sie die Nachricht von Dukes Tod erhält. Emiliano ist Journalist, homosexuell und bekommt unmittelbar nach der Beerdigung seines Freundes den Auftrag, eine Biographie über ihn zu schreiben. Antero besitzt eine sehr erfolgreiche Werbeagentur, ist mit Giane verheiratet und Vater eines kleinen Sohns.
Zusammen mit Duke hatten sie in den 1990er Jahren die Internetplattform „Orangotango“ betrieben. Nun ist Duke, „Eines der vielversprechendsten Talente zeitgenössischer, brasilianischer Literatur“, tot, er wurde während des abendlichen Joggens Opfer eines Raubüberfalls. Es ist sehr heiß in jenem Januar in Porto Alegre und es stinkt nach „Menschenscheiße auf den Gehwegen“. Die Busfahrer streiken.
Die drei Freunde sehen sich nach Jahren zum ersten Mal wieder. Und jeder und jede hat seine bzw. ihre eigene Geschichte mit Duke. Davon erzählt Daniel Galera in „So enden wir“. Er lässt seine drei Protagonisten nacheinander zu Wort kommen. Jeweils als Ich-Erzähler ziehen sie Bilanz ihres Lebens und ihrer Freundschaft untereinander, aber vor allem ihrer Freundschaft mit Duke, der als einziger der vier mit seiner Literatur berühmt wurde.
Galeras Protagonisten, Aurora, Antero und Emiliano, sind Stellvertreter einer Generation, die die unbegrenzten Möglichkeiten des Internets in seiner Anfangszeit mit all ihrer Blauäugigkeit testen und erfahren. Sie reflektieren ihre Studienzeit mit ihren (u.a. auch sexuellen) Freiheiten. Sie fragen sich angesichts des plötzlichen Todes ihres Freundes nach der Bedeutung von Freundschaft und nach ihrer eigenen Zukunft. Was nicht verwundert, kommt es doch in Brasiliens Großstädten heute wieder alltäglich zu brutalen und tödlichen Vorfällen, das Leben kann sehr schnell enden.
Galera gelingt es überzeugend, die Stimmen und Stimmungen dieser (seiner) Generation einzufangen: Aurora mit ihren Weltuntergangstheorien, Emiliano mit seiner Selbstverachtung und Antero mit seiner Sexfixierung. Da geht es keineswegs so blutleer zu, wie in den Geschichten über die Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre Geborenen von den deutschen Autoren Andreas Schimmelbusch oder Fabian Hischmann, die ich im letzten Jahr las.
Mit „So enden wir“ schreibt Daniel Galera ein weiteres Stück sehr guter, moderner brasilianischer Literatur, so dass ich als Lesende hoffe, in Zukunft noch mehr von ihm lesen zu dürfen. Absolut empfehlenswert.
Daniel Galera: So enden wir.
Suhrkamp Verlag, Februar 2018.
231 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.