Polly McClusky ist 11 Jahre alt. Ein eher schüchternes Mädchen, in der Schule eine Einzelgängerin. Ihren Vater kennt sie kaum, da er seit Jahren im Gefängnis sitzt. Doch unvermittelt steht er vor ihr und setzt sein Leben für sie aufs Spiel. Im Gefängnis hat er ein Mitglied der Aryan Steel umgebracht – genauer gesagt den Bruder des Anführers – und nun ist auf Polly ein Kopfgeld ausgesetzt. Nate will um jeden Preis verhindern, dass sie einem Bandenmitglied in die Finger fällt. Und so beginnt eine wilde Flucht durch Kalifornien, bei der sich Vater und Tochter näher kommen.
Die Idee an sich ist nicht schlecht, ein schöner netter Road-Movie, eine etwas andere Vater-Tochter-Geschichte. Leider hapert es aber in der Umsetzung – sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der sprachlichen Ebene.
Ich fand die Story unrealistisch. Polly, das eigentlich eher schüchterne, zurückhaltende Mädchen, das größtenteils als sehr kindlich beschrieben wird und fast ausschließlich mit/ über seinen Teddy kommuniziert (die Beschreibungen sind zum Teil recht albern) wandelt sich innerhalb kürzester Zeit in eine brutale Schlägerin, der die Gewalt sogar Spaß zu machen scheint. Das Ganze erinnerte mich irgendwie an die überzogene und unrealistische Gewaltdarstellung in „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“.
Sprachlich wartet der Autor mit vielen einfachen, kurzen, stakkatoartige Sätzen auf. Die Gewaltdarstellung ist häufig sehr plastisch: „Der Blitz und der Knall aus dem Lauf machten die Welt psychedelisch. Blinklichter blühten auf vor Nates Augen. In seinen Ohren sauste es. Nate griff nach dem Lauf. Achtete nicht darauf, dass er sich am heißen Metall verbrannte. Drehte ihn um. Spürte Magics Fingerknochen am Abzugsbügel brechen. Zog die Pistole von Magics kaputten Fingern. Bäumte sich auf. Packte die Pistole. Schlug auf das eiserne Kreuz am Schädel ein. Noch mal. Magics Blick wurde leer. Nate schon Magic den Lauf zwischen die schlaffen Lippen. Sah einen Kondor an einem klaren blauen Himmel. Drückte ab. Hinter Magic spritzte fächerförmig Geschlabber auf den Teppich.“ (Seite 97f).
Ich kann das Buch daher nicht empfehlen. Wer weiß, vielleicht vermag die geplante Verfilmung mehr zu überzeugen.
Jordan Harper: Die Rache der Polly McClusky.
Ullstein, Februar 2018.
288 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Nadine Roggow.