C.L. Polk: Der Mitternachtspakt

Eigentlich hat dieses Buch alles, um mich dazu zu bringen, es zu hassen. Es gibt Frauen, die nach Gleichberechtigung streben in Zeiten, die noch nicht soweit sind, es gibt Debütantinnenbälle, es gibt Mädchenintrigen, Rumzickerei und die Love-Story ist sehr weit vorne und natürlich ist er der perfekte Mann. Trotzdem mochte ich dieses Buch sehr. Das lag zum einen an Nadi, dem Geist des Glücks, mit dem Beatrice sich verbündet und der wirklich zu süß ist. Zum anderen aber auch an Beatrice selbst, die sich und ihre Umwelt wirklich ernst nimmt und nicht einfach nur in Selbstverwirklichungsfantasien um sich schlägt.

Beatrice lebt in einer patriarchischen Welt, ausgerechnet am frauenfeindlichsten Zipfel und auch noch in einer Familie, die das voll verinnerlicht hat. Ihr Vater ist Kaufmann, allerdings so erfolglos, dass die Familie fast pleite ist und Beatrice reiche Heirat der einzig mögliche Ausweg erscheint. Deswegen wird der letzte Rest Geld in die Debütantinnenbälle der Saison gesteckt und Beatrice soll sich aufmachen, eben jenen reichen Schwiegersohn an Land zu ziehen. Dabei hat sie an all dem, inklusive schick machen und die Sprache der Bräutigam-Suchenden sprechen, so gar kein Interesse (I feel you, Beatrice). Heiraten will sie eigentlich sowieso nicht, denn in ihrer Welt wird Frauen nach der Heirat der Halsreif angelegt – wortwörtlich. Um zu verhindern, dass Geister das ungeborene, schutzlose Kind befallen und sich dort einnisten, tragen alle verheirateten Frauen in gebärfähigem Alter einen Ring zur Abwehr um den Hals, der ihre eigene Magie komplett unterdrückt. Leider weiß man in Beatrice Welt auch nicht allzu viel über Empfängnisverhütung oder überhaupt über Schwangerschaften und geht auf Nummer sicher – der Ring wird nie abgenommen. Punkt.

Beatrice steht also zwischen dem Wunsch, eine unabhängige Magierin zu sein und ihrer Pflichterfüllung ihrer Familie gegenüber. Denn diese liebt sie und ihre Schwester Harriet wäre viel besser für den ganzen Brautkram geeignet, denn die weiß viel mehr darüber, liebt das alles, hasst Magie und ist leider nur die Zweitgeborene. Beatrice kommt sich zu Anfang ganz allein mit ihren Wünschen vor, bis sie erst eine und dann noch mehr Gleichgesinnte trifft. Und bis sie sich verliebt. Und bis sie den Glücksgeist Nadi in sich einlässt, der ihr in seiner Gier nach Leben so viel mehr zeigt, als sie sich bisher vorstellen konnte.

Erstaunlicherweise ist mir ihre große Liebe – Ianthe Lavan – sehr wenig auf die Nerven gefallen, obwohl er das Potential dazu hätte. Er ist einfach zu perfekt: Reich, mitfühlend, mitdenkend, großzügig und er versteht Beatrice Gedanken zur Freiheit auch noch. Trotzdem ist es der Autorin irgendwie gelungen, dass ich sogar ihn sympathisch finde.

Ich fand den „Mitternachtspakt“ ein rundum gelungenes Buch über Themen, die ich normalerweise scheue wie Geister den Halsreif.

C.L. Polk: Der Mitternachtspakt
Aus dem Englischen übersetzt von Judith Vogt
Piper, Juni 2023
448 Seiten, Paperback, 18 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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