Buzzy Jackson: Wir waren nur Mädchen

Ich muss gestehen, der Name „Hannie Schaft“ hat mir zunächst einmal nichts gesagt. Ganz im Gegensatz zu Anne Franks ist die Geschichte des „Mädchens mit den roten Haaren“, das sein Leben dem Widerstand der Nazi-Besatzer in den Niederlanden opferte, um Freunde zu schützen und einfach nur zu helfen, eher wenig bekannt.

Geboren am 16. September 1920 als Jannetje Johanna Schaft in Haarlem, nahm Jo den Namen „Hannie“ an, als sie in Amsterdam anfing, Jura zu studieren. Ehrgeizig, fleißig, engagiert und mit Bestnoten. An der Universität lernte sie Sonja und Philine kennen, zwei jüdische Kommilitoninnen, die zu ihren besten Freundinnen wurden. Zunächst spielte es für die drei jungen Mädchen keine Rolle, dass Sonja und Philine Jüdinnen waren, erst als die deutschen Besatzer Ende 1940 immer schärfere Regeln für Juden in den Niederlanden durchsetzten, waren die beiden und ihre Familien in Gefahr. Hannie versuchte, zu helfen. Zunächst „besorgte“ sie den Freundinnen Personalausweise, die sie im Stadtbad in Spinden anderer junger Frauen geklaut hatte. Später machte sie das eher regelmäßig und half so jüdischen Mitbürgern. Außerdem half sie, Verstecke für sie zu organisieren. Sonja und Philine brachte sie wenig später nach Haarlem zu ihren Eltern, die sie damit einer riesigen Gefahr aussetzte, die ihre Tochter aber ohne Nachfrage unterstützten.

Als die Deutschen die Studierenden 1943 zwangen, eine sogenannte Loyalitätserklärung zu unterschreiben, verweigerte Hannie die Unterschrift und musste die Universität verlassen. Von diesem Moment an widmete sie sich ganz dem Widerstand und schloss sich einer kommunistischen Gruppe von Widerstandskämpfern an, zu der auch die Schwestern Truus und Freddie Oversteegen gehörten und die Attentate auf Kollaborateure verübten. Ihre Missionen führte sie häufig mit Truus aus, die inzwischen zu einer Freundin geworden war. „Verräter zu erschießen, war eine schreckliche Sache. Aber es musste getan werden. Schließlich konnten wir sie ja nicht ins Gefängnis stecken.“ Es dauert nicht sehr lange, bis Hannie als „das Mädchen mit den roten Haaren“ bei den deutschen Besatzern bekannt war und gesucht wurde. Zur besseren Tarnung färbte sie sich die Haare schwarz und trug eine Brille. Ihre Arbeit im Widerstand gab sie nicht auf, auch nicht, nachdem ihr Geliebter, Jan, verhaftet und von den Nazis getötet worden war. Mit einer List hatten die Besatzer es geschafft, vor seinem Tod noch ihren Namen von ihm zu erfahren. Eine Zeitlang musste Hannie untertauchen, machte aber sehr bald weiter mit ihren Aktionen.

Im März 1945 wird sie bei einer Kontrolle auf der Straße verhaftet, weil man illegale Zeitschriften und eine Waffe bei ihr gefunden hatte. Recht bald wird sie als „das Mädchen mit den roten Haaren“, als Hannie Schaft identifiziert. Nach zahllosen Verhören, bei denen sie nie einen Namen der Freunde preisgegeben hat, wird sie am 17. April 1945 in den Dünen von Overveen, ohne Gerichtsverfahren, erschossen.
Buzzy Jackson hat einen zwar fiktiven Roman geschrieben, ihn aber aufgebaut auf historischen Fakten. Die Figur der Hannie Schaft ist so realistisch dargestellt, dass man glaubt, sie vor sich zu sehen, Gleiches gilt für ihre Freundinnen und die weiteren wichtigsten Figuren, aber auch für die Situationen, die hier sehr authentisch geschildert werden. Ein Leben in ständiger Gefahr und Angst.

Die Geschichte ist mehr als bedrückend, wahrscheinlich vor allem, weil sie eben wahr ist und man sich solche Grausamkeiten gar nicht vorstellen möchte. Die Geschichte einer äußerst mutigen, intelligenten jungen Frau, die ihr Leben riskiert hat, um anderen zu helfen. Selbstlos, manchmal verzweifelt, aber doch immer wieder in der Hoffnung, der Krieg sei bald vorüber. Fesselnd geschrieben, grauenhaft realistisch und schonungslos.

Buzzy Jackson: Wir waren nur Mädchen
Aus dem Amerikanischen von Christine Strüh
Aufbau-Verlag, April 2024
553 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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