Der US-amerikanische Schriftsteller T. C. Boyle wird im Dezember dieses Jahres 77 Jahre alt. Inzwischen hat er dreißig Bücher geschrieben. Einige haben wir auf unserer Homepage besprochen. Zuletzt die Storys unter dem Titel „I Walk Between the Raindrops“ aus dem letzten Jahr. Am 16. September 2025 ist Boyles neuer Roman „No Way Home“ im Carl Hanser Verlag erschienen. Dirk van Gunsteren hat ihn aus dem Englischen übersetzt.
Zwei Männer und eine Frau in einer Kleinstadt in der Wüste Nevadas
In sieben Kapiteln erzählt T. C. Boyle die Dreiecksgeschichte zwischen Terrence, Bethany und Jesse. Dabei wechseln die Perspektiven der Figuren von Kapitel zu Kapitel. Boyle beginnt mit Terrence (Terry) Tully, einem Arzt Anfang dreißig, der in einem Krankenhaus in Los Angeles arbeitet. Der Krankenhausalltag ist stressig und belastend. Terrences Mutter verstirbt plötzlich und er muss sich um ihren Nachlass kümmern. Die Mutter lebte in Boulder City, Nevada, einer kleinen Stadt am Rande der Wüste. Sie hinterlässt ihm ihr kleines Haus und ihre Hündin Daisy. Bei einem ersten Besuch in Boulder City lernt Terrence die schöne Bethany in einer Bar kennen. Aber auch ihren Ex, den High-School Lehrer und Motorradfahrer Jesse Peter Seeger. Terrence und Bethany schlafen miteinander. Wie selbstverständlich nistet sich Bethany im Haus von Terrys Mutter ein. Und dann hat Terrence einen Unfall.
Aus Bethanys Sicht ist Terry ein wenig spießig und pedantisch, aber ihr gefällt, dass er Arzt ist. Außerdem braucht sie eine Bleibe, um nicht auf der Straße zu landen. Bethany arbeitet in der Rezeption des örtlichen Krankenhauses, sie kümmert sich um Daisy und kann kochen. Sie und ihre Freundin Lutie feiern und trinken gern und Bethany lässt Jesse immer wieder in ihr Leben. Terry wickelt sie um den Finger.
Jesse wiederum gibt den Macho mit einem Hang zum kreativen Schreiben. Er düst mit seinem Kumpel Thomas auf dem Motorrad durch die Gegend und ist ziemlich rauflustig. Er will Bethany nicht loslassen, verfolgt sie und er hält Terry für einen Schwächling. Bis dieser eines Tages „zurückschlägt“.
Der schlappen „Ménage-à-Trois“ fehlt scharfer Pfeffer
T.C. Boyle hat sich für „No Way Home“ eine „Ménage-à-Trois“ ausgedacht, die aus Begehren, Eifersucht, Gewalt und nur ein bisschen Liebe besteht. Zwei Männer kämpfen um eine Frau, die sich nicht für einen der beiden entscheiden kann. Das kann nicht gut gehen. Und tut es auch nicht. Allerdings sind Boyles Figuren in diesem Stück nicht so überzeugend, wie ich es als Lesende aus seinen anderen Büchern gewohnt bin. Die Charaktere sind abgedroschen: der spießige, aber gute Arzt, die penetrante, aber wunderschöne Blondine und der gewalttätige, aber schreibtalentierte High-School Lehrer mit dem Motorrad. Obwohl Boyle die Buchkapitel aus wechselnden Perspektiven schreibt, ist sein Erzählton durch den personalen Erzähler nahezu gleich. Das heißt, egal, ob Terrys oder Bethanys oder Jesses Sicht beschrieben wird, es klingt alles ähnlich. Da wäre eine figurentypische Erzählweise (jeweils als Ich-Erzähler) spannender gewesen. So plätschert die Geschichte dahin und auch die Höhepunkte versickern im Gleichklang. Boyles Stärken wie die Erfindung skurriler Figuren oder furioser Situationen und die Entwicklung dystopischer (manchmal allerdings schon zur Realität gewordener) Szenarien mit der einhergehenden Dynamik und Brillanz fehlen diesem Roman. Der schlappen „Ménage-à-Trois“ fehlt scharfer Pfeffer.
Einzig die Dialoge haben ein wenig Biss:
„»Du bist Vegetarier?«, fragte Bethany und schnitt kauend ein Stück von ihrem Steak ab …
»Eigentlich nicht. Jedenfalls nicht ganz und gar. Ich versuche, nichts zu essen, was ein Gesicht hat …«
»Also kein Pferdefleisch? Und keine rumänischen Waisenkinder?«
»Nur dienstags.«
»Ich mag dich«, sagte sie.
»Tja, na ja, das ist doch gut, oder? Nach gestern Abend?«“ (S. 36)
T. C. Boyles Idee (ausgerechnet) Jesse einen Roman über seinen fiktiven Urgroßvater schreiben lassen zu wollen, „an den er sich allerdings überhaupt nicht erinnern konnte“ und der sich gegen die Enteignung des Landes für den Bau des Hoover Dam wehrte, hätte das Potenzial zu mehr Wucht und Glanz im Buch gehabt. Denn die reale Geschichte um den Bau des Hoover Staudamms in Nevada in den 1930er Jahren, der als technisches Wunderwerk gilt, birgt jede Menge Spannung und Geheimnisse.
So ist T. C. Boyles „No Way Home“ sicher (vor allem für seine Fans) lesenswert, aber es ist nicht brillant.
T. C. Boyle: No Way Home.
Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren.
Carl Hanser Verlag, 16. September 2025.
384 Seiten, Hardcover, 28,- Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.
